Dekan Hansjürgen Thomann
beim
Friedensgebet am 15. März 2003
in der Kilianskirche Heilbronn
Liebe Gemeinde,
wenn wir hier zu einem Friedensgebet
zusammenkommen, sind wir nicht der verlängerte Arm irgendeiner Partei
oder politischen Richtung. Wir kommen hier als Christen aus unterschiedlichen
Parteien und mit verschiedenen Überzeugungen zusammen und wissen uns
verbunden mit Christen in der ganzen Welt - auch in USA und Großbritannien.
Es ist wohl nötig,
das zu betonen und wir sagen auch, daß wir Saddam Hussein wegen seiner
Verbrechen gerne vor einem Internationalen Gerichtshof sehen würden.
Und anders als radikale
Pazifisten wissen wir auch, daß man im gesellschaftlichen Bereich
und Miteinander der Nationen dem Bösen gelegentlich nicht anders wehren
kann als mit Gewalt - Gott sei’s geklagt. Aber das haben wir in unserer
deutschen Geschichte gelernt.
Wir wissen, daß man
mit der Bergpredigt nicht regieren kann. Aber wir wissen auch, daß
wir ohne dieses radikale Korrektiv in die Irre gehen würden.
Wenn wir hier zusammenkommen,
wollen wir uns biblisch orientieren und mit biblischer Verheißung
Gott bitten, zu tun, was uns nicht möglich ist.
Wir wollen dabei die Bibel
nicht dazu mißbrauchen, unsere eigenen Ideen und Sehnsüchte
hineinzulesen. Darin unterscheiden wir uns von Fundamentalisten.
Wenn wir also die Bibel befragen, was Gottes Wille ist und was nicht, fällt mir sofort der Predigttext des vergangenen Sonntags von der Versuchung Jesu (Matthäus 4,1-11) ein.
Nachdem Jesus getauft war,
zog er sich in die Wüste zurück und fastete. Und er wurde versucht.
Der Teufel forderte ihn
auf, wie Mose in der Wüste Steine zu Brot zu verwandeln.
Er wollte, daß er
sich von der Tempelzinne stürze, um zu zeigen, daß er unverwundbar
sei und ihn die Schutzengel Gottes auf Händen tragen.
Beide Versuchungen lehnte
Jesus mit Argumenten aus der Schrift ab: „Der Mensch lebt nicht vom Brot
allein“ und „Du sollt Gott nicht versuchen“.
Und dann kommt die 3. Versuchung.
Ich lese Mt 4, 8-11:
„Daraufhin führte ihn
der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche
der Welt ....
und sprach zu ihm,: Das
alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest.
Da sprach Jesus zu ihm:
Weiche von mir Satan! denn es steht geschrieben: Du sollst anbeten den
Herrn deinen Gott und ihm allein dienen“.
Vom Messias erwartete man
u.a., daß er die Weltherrschaft übernähme und den Gottesstaat
errichte.
Jesus erteilt dieser Erwartung
eine Absage.
Die Frage nach der Weltherrschaft
ist durch die Geschichte hindurch eine gefährliche Versuchung.
Wir kennen die Geschichte
vom Turmbau und wie sie ausging. In dieser archaischen Erzählung wird
deutlich, wie der biblische Herrschaftsauftrag zu verstehen ist. Menschen
dürfen die Schöpfung nutzen und sollen sie bewahren, aber sie
haben keinen Auftrag, sich die Welt machtpolitisch untertan zu machen.
Die Israeliten wußten aus ihrer Geschichte, daß das Königtum immer in Gefahr war, Allmachtsphantasien mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln umzusetzen. Die Propheten waren die von Gott beauftragten Wächter über den Amtsmißbrauch der regierenden Könige.
Das deutsche Volk hat seinen Traum von der Weltherrschaft bitter bezahlt und ist hoffentlich ein für alle mal vor dieser Versuchung gewarnt. Anderswo wird dieser Traum offensichtlich noch geträumt.
Die 3. Versuchung Jesu zeigt,
daß nicht einmal der Messias die machtpolitische Weltherrschaft erstrebt
hat, sondern sie als teuflische Versuchung abgelehnt hat.
Das Reich Gottes umfaßt
andere Bereiche.
Jesus hat seinen übereifrigen
Jünger Petrus bei der Gefangennahme im Garten Gethsemane vor der Versuchung
gewarnt, mit dem Schwert Probleme zu lösen,.
Ich sagte zuvor, daß in gesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Bereichen Gewalt u.U. nötig werden kann. Dafür gibt es aber strenge Auflagen in der Völkergemeinschaft. Daß diese von einer Leitnation, die sich christlichen Einflüssen so verbunden zeigt, nicht geachtet werden, ist das besonders Beunruhigende.
Wir würden Gott auch um Frieden bitten, wenn die Weltgemeinschaft förmlich korrekt einen Krieg sanktioniert hätte. Wir täten dies, weil wir wissen,
- daß Unschuldige hineingezogen
werden,
- daß die Schöpfung
unerträglich leidet und weil wir wissen,
- daß Krieg keinen
Frieden schafft, sondern Rachegelüste.
Wir bitten Gott umso besorgter um Frieden, weil wir als Einzelne ohnmächtig eine Entwicklung verfolgen, in der selbst mächtig Länder ohnmächtig sind, weil sich die Regierung einer Supermacht zur Weltherrschaft berufen fühlt. Die Kreuzzüge sind ein dunkles Kapitel der Geschichte christlicher Machtausübung.
Wir bitten Gott um das Wunder,
daß dieser Konflikt ohne Krieg lösbar wird.
Wir bitten ihn, daß
er dem geschundenen irakischen Volk durch friedliche politische Mittel
Frieden in Gerechtigkeit schenken möge.
Wir bitten Gott, den Mächtigen
gute Berater zu schenken, denen der Frieden und das Wohl in der Weltgemeinschaft
wichtiger ist als nationale und internationale Prestigeüberlegungen.
Das sind anspruchsvolle Wünsche. Aber Gott kann über Bitten und Verstehen tun - und genau darum bitten wir ihn.
Amen.