Geschichtliche Hintergründe des
Krieges und Informationen zur heutigen Lage in Gaza, dem Westjordanland
und Israel
Deutschland und Nahost
In Deutschland haben wir durch unsere
Geschichte eine enge Beziehung zu Israel und zu jüdischen Menschen
in verschiedenen Teilen der Welt.
Der Hitlerfaschismus, der Holocaust,
der 2. Weltkrieg, Auschwitz, Hiroshima und Nagasaki, Stalingrad und Dresden
waren für meine Generation die Ausgangspunkte unserer politischen
Sozialisation. Nie wieder Krieg, nie wieder Vernichtung von Menschen aufgrund
irgendwelcher ökonomischen Ansprüche, Religionen und Ideologien
ist die Konsequenz aus den Erfahrungen, wurde zur Basis unseres Denkens
und Handelns. Wir sind auf der Spur geblieben, uns überall dort, wo
sich Krieg, Unterdrückung, Ausbeutung, Menschenrechtsverletzungen
zeigen, einzumischen, Öffentlichkeit herzustellen und den betroffenen
Menschen zu zeigen: Ihr seid nicht allein.
Ich fühle mich nicht schuldig
für die Verbrechen der Nationalsozialisten. Aber ich fühle mich
verantwortlich dafür, daß so etwas nie wieder geschieht.
Seit 25 Jahren bin ich mit diesem Konflikt befasst. Ich habe an internationalen Veranstaltungen zum Thema, an Versöhnungscamps, vielen Aktionen und Diskussionen teilgenommen. Ich habe Fotoausstellungen, Dia-Schauen und Veranstaltungen über die Geschichte und heutige Situation des Konfliktes gemacht. Ich bin nach Palästina und Israel gegangen, um mir ein realistisches Bild zu verschaffen, entsetzt von dem Unterdrückungszusammenhang, den ich dort den PalästinenserInnen gegenüber erlebt habe, aber auch von der Militarisierung und Gewaltbereitschaft, die ich in Israel und Palästina angetroffen habe. Ich habe die Angst vor Selbstmordattentaten an öffentlichen Plätzen, in Zügen, in Bussen in Israel gespürt.
Information und Gegeninformation im
Krieg
Mit diesem Vortrag möchte ich
daran mitarbeiten, einen Mangel auszugleichen. Einen Mangel an Information
über ein Land, das seit dem 27. Dezember 2008 mehr noch in den Schlagzeilen
ist, Palästina, insbesondere Gaza.
„Die Stille und das Schweigen der „zivilisierten
Welt“ ist noch ohrenbetäubender als die Explosionen, mit denen Gaza
unter einem Leichentuch aus Tod und Terror versinkt.“
Vittorio Arrigoni von ISM (International
Solidarity movement) Augenzeugenbericht aus Gaza
In den überwiegenden Nachrichten
unseres Landes sind die nächsten Worte hinter Palästinenser die
Worte terroristisch, radikal, islamistisch, gewalttätig, Attentäter.
In den Berichten westlicher und israelischer
Journalisten und Regierungen heißt es einheitlich: Hamas hat die
Waffenruhe gebrochen, Israel muß sich wehren.
Der UN Berichterstatter für die
palästinensischen Gebiete, Richard Falk schreibt in einem Artikel:
„Die Gaza Katastrophe verstehen“ u.a.:
„Hamas wird verantwortlich gemacht
für den Zusammenbruch des Waffenstillstandes und sie seien nicht willig,
ihn zu erneuern. Die Realität jedoch sieht anders aus. Es gab keine
substantiellen Raketenangriffe der Hamas während des Waffenstillstandes.
Bei zahlreichen öffentlichen Gelegenheiten hat sich die Hamas für
eine Verlängerung der Waffenruhe ausgesprochen, jedoch wurde das von
Israel negiert. Am 4. November 2008 übte das israelische Militär
zahlreiche Angriffe auf die von Israel so bezeichneten palästinensischen
Militanten in Gaza aus. Insgesamt wurden durch Israel während der
Feuerpause 6 Palästinenser getötet, über 60 verletzt. Danach
begannen die Raketenangriffe der Hamas auf Israel.“
Das am dichtesten bevölkerte Gebiet der Welt, der GAZA Streifen in Palästina, wurde mit einem Krieg, der den Namen „Gegossenes Blei“ trug, in einer Aktion des Wahnsinns mit Bomben, Granaten, Weißem Phosphor, Urangeschossen und der neuen Waffe Dense Insert Metal Explosives angegriffen. Das ist eine besonders perfide Waffe: Es ist ein überhitztes Mikro Schrapnell, das beim Aufschlag auf einen Körper sehr starke Verbrennungen verursacht, das Gewebe um die Knochen zerstört, Muskeln lösen sich auf, die inneren Organe verbrennen, Rettung der Verletzten ist nahezu unmöglich.
In diesem Krieg wurden Kinder, Frauen, Männer. Krankenhäuser, Ambulanzwagen, Schulen, Lebensmittellager, Moscheen, Gaslager, das Gefängnis, Fernsehsender, Regierungsgebäude, unzählige Wohnhäuser bombardiert und mit Panzergranaten beschossen. Ärzte und Sanitäter, die Verwundete bergen wollten, wurden dabei getötet. Die Wasserversorgung, die gesamte Infrastruktur wurden systematisch zerstört, Kläranlagen und Brunnen bombardiert, Panzer taten ihr übriges, indem sie Wasserleitungen unbrauchbar machten. 300.000 PalästinenserInnen haben durch diese Zerstörungen keinen Zugang mehr zu Wasser, sind auf Wasserlieferungen der Hilfsorganisationen angewiesen.
Dieser Krieg hat 1.300 PalästinenserInnen das Leben gekostet, 1/3 der Getöteten waren Kinder. Über 5.000 Menschen sind verletzt worden. Seit dem Abzug der israelischen Siedler aus Gaza vor drei Jahren sind mit den Toten dieses Krieges über 3.000 PalästinenserInnen durch das israelische Militär ums Leben gekommen. Im gleichen Zeitraum sind 11 Israelis durch Kassam Raketen getötet worden. Auch Kassam Raketen gegen Zivilbevölkerung sind nicht zu akzeptieren. Seit dem Beginn der 2. Intifada im Jahr 2.000 sind insgesamt über 5.000 PalästinenserInnen durch Israel getötet worden.
Die Medien im Westen berichten überwiegend
aus der Position Israels. Die palästinensische Seite der Geschichte
wird weitgehend ignoriert. Ein Beispiel für den Angriff auf die Pressefreiheit
bei uns war die Absetzung der Diskussion um den Krieg in Gaza am 11.1.2009
im 1. Programm. In der Sendung Anne Will sollten der Dirigent des west-östlichen
Diwans, Daniel Barenboim, der frühere israelische Botschafter Avi
Primor, die palästinensische Professorin Sumaya Farhet-Naser und Joseph
Fischer, Ex-Außenminister diskutieren. Kurz zuvor wurde die Sendung
abgesetzt.
Die zum Teil falsche Berichterstattung
über den Krieg „Gegossenes Blei“ hing auch damit zusammen, daß
Israel während der Angriffe keine ausländischen Journalisten
nach Gaza einreisen ließ. Über die weltweiten Aktionen und Demonstrationen,
auch die der israelischen Friedensbewegung gegen den Krieg wurde sehr wenig
objektiv berichtet.
Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst.
Das war und ist auch hier so. Es ist Propaganda und psychologische Kriegsführung
zugleich. Man muß sich als Kriegspartei selber davon überzeugen,
daß die Lüge die Wahrheit und die Verfälschung die Realität
ist.
Nach der Bombardierung der UN Schule
z.B. versuchte Israel, in einer filmischen Dokumentation darzustellen,
daß aus dieser Schule geschossen worden sei. Doch selbst die Israel
sehr verbundene ZDF Korrespondentin Karin Storch mußte zugeben, daß
dieser Film bereits von 2007 stammte.
Von verschiedenen Seiten wird Kritik an der israelischen Politik leichtfertig mit den Begriffen Antizionismus und Antisemitismus abgetan. Jede ernsthafte Diskussion wird so abgewürgt. Es gibt kaum andere Begriffe, bei denen so viel Unkenntnis und Oberflächlichkeit herrschen. Ich versuche eine Klärung. Bitte habt Geduld, Der Konflikt ist nicht erst seit gestern, sondern weit über hundert Jahre alt, sehr widersprüchlich. Am meisten gelernt habe ich von AutorInnen wie der jüdischen Rechtsanwältin und Trägerin des alternativen Nobelpreises Felicia Langer, dem Psychologie Professor Rolf Verleger, Mitglied im deutschen Zentralrat der Juden, dem jüdisch/israelischen Friedensaktivisten Uri Avnery, der Palästinenserin Prof. Sumaya Farhet-Naser und anderen.
Zionismus
Im auslaufenden 19. Jahrhundert bis
1918, nach dem 1. Weltkrieg, erweiterte sich die Anzahl der Staaten Mittel-
und Osteuropas von sechs auf sechzehn. Auch unter den Juden Osteuropas
entstand der Wunsch nach einem eigenen Staat. Juden in den verschiedenen
Ländern hatten viel gemeinsam: Sie sprachen die gleiche Sprache, Jiddisch,
schrieben in hebräischen Buchstaben, hatten die gleiche Religion,
durften nur sehr eingeschränkt ihren Beruf wählen und wurden
in fast allen Ländern, insbesondere in Rußland und Polen verfolgt
und diskriminiert. Judenfeindlichkeit und Judenhass herrschte aber auch
in den Staaten West- und Mitteleuropas. Ein Beispiel ist die Affäre
Dreyfus in Frankreich.
Viele Juden flohen vor Verfolgung,
emigrierten als Einzelne in die USA und in verschiedene Länder West-
und Mitteleuropas. Die Sehnsucht nach einer kollektiven Lösung, nach
einem Ort, an dem sie autonom über ihr Leben entscheiden konnten,
wuchs permanent. Bei vielen war diese Sehnsucht an die Vorstellung geknüpft,
eine kollektive Lösung im gelobten Land der Vorväter, in Judäa
zu suchen. So emigrierten zu Anfang des 20. Jahrhunderts erste größere
Gruppen von Juden aus Rußland. Das heutige Palästina/Israel
gehörte zum Osmanischen Reich. Sie überquerten die Grenzen des
osmanischen Reiches in den Norden des heutigen Palästinas.
Der Journalist Theodor Herzl war als
Berichterstatter beim Dreyfus Prozeß. Die Ungerechtigkeiten gegenüber
Dreyfus animierten ihn dazu, das Manifest: „Der Judenstaat“ zu schreiben.
Er begann, für einen jüdischen Staat zu kämpfen. Die Juden
sollten nicht mehr als vaterlandslose Gesellen angesehen werden. Sobald
es einen Judenstaat gebe, könnten Juden zeigen, daß sie genau
wie alle anderen in der Lage sind, ein Vaterland zu haben und für
dieses einzutreten.
In dieser Zeit des „Kolonialismus und
des europäischen Größenwahns – sollte es ein unterentwickeltes
Land sein, in das Juden als europäisches Volk das Licht des technischen
Fortschritts und der Aufklärung bringen konnten.“
Rolf Verleger, Israels Irrweg, eine
jüdische Sicht, Köln 2009, S. 43
Verschiedene Länder waren als
mögliche Orte für einen jüdischen Staat im Blick: Uganda,
Madagaskar, Zypern. Der Großteil der zionistischen Juden aber lehnte
diese Idee ab. Für sie gab es nur einen Ort: das Versprochene Land
in Judäa.
Innerhalb der jüdischen Welt gab es viele Auseinandersetzungen um den Zionismus. Traditionelle Vorstellungen wandten sich scharf gegen einen jüdischen Staat und damit einen Nationalismus. „Das jüdische Volk habe das Joch des Exils zu tragen, dies sei wesentlicher Bestandteil seiner Existenz und es sei nur an Gott, durch den Maschiach diese Situation zu verändern.“ Verleger, a.a.O., S. 45
Herzl selber wollte einen multikulturellen Staat, in dem Araber und Juden gleichberechtigt miteinander leben konnten. „Mein Testament für das jüdische Volk: Euren Staat so zu erbauen, daß ein Fremder zufrieden bei euch lebt.“ … Er wand sich ausdrücklich gegen die Idee, daß Juden in dem zu schaffenden Staat aufgrund ihrer Herkunft und Religion eine privilegierte Stellung haben dürften. Vergleiche Verleger, a.a.O., S. 46
Großbritannien als führende Weltmacht war brennend am Zerfall des Osmanischen Reiches interessiert, die Briten wollten die Herrschaft in dieser Region haben. Nach dem 1. Weltkrieg wurde den Briten dann auch die Verwaltung dieses Landstriches durch den Völkerbund, der auf Initiative der USA entstanden war, übertragen. Das Land wurde nun Palästina genannt.
Die Briten hatten Sympathie für
die zionistische Bewegung. Sie hatten zwar die Araber mit Waffen im Kampf
gegen das osmanische Reich unterstützt, teilten aber deren Interessen
an diesem Land nicht. Die arabische Bevölkerung wollte in keinem Fall,
daß durch eine große Zahl von jüdischen Einwanderern ihnen
ihr Grund und Boden und ihre heiligen Stätten weggenommen werden könnten.
Großbritannien aber sah eher durch eine große Präsenz
von Juden garantiert, daß es in dieser Region die Oberhoheit behalten
konnte.
So kam es zur Balfour Deklaration.
Diese besagt: „daß die Juden, die als ein Volk, zerstreut in alle
Welt, dessen Herz aber immer nach Palästina gerichtet war, in den
Stand gesetzt werden sollten, ihre Heimat zu finden, und daß mancher
von ihnen, in dem Rahmen, der durch die Anzahl und die Interessen der jetzigen
Bevölkerung gesetzt ist, nach Palästina kommen sollten, um mit
ihren Möglichkeiten und Energien das Land zum Vorteil aller Bewohner
zu entwickeln. Verleger, a.a.O., S. 50
Dieser Staat, in dem Juden, Muslime und Christen gleichberechtigt zusammen leben könnten, sollte die Heimstätte für alle Juden sein, gleich wo sie lebten. „Diese Heimstätte können allen Staaten der Welt als Vorbild gelten, wie Menschen aller Herkunft und Religionen friedlich zusammenleben könnten, und dieses Vorbild würde helfen, den Antisemitismus in Mitteleuropa zu bekämpfen,“ so die Vorstellung von Herzl und den britischen Mandatsträgern.
Die Realität aber war anders. Die
Juden, vor allem aus Rußland, waren vor Progromen und Diskriminierungen
des Zarenreiches, des Bürgerkrieges und den Folgen der Russischen
Revolution geflohen. Ein Teil von ihnen wollte sich von niemandem mehr
herumkommandieren, frei sein, ihre eigene Staatsform wählen, sich
nicht von den Briten vorschreiben lassen, wie sie das Land organisieren
und regieren wollten.
Es gab über Jahrzehnte hinweg
heftige Kontroversen. Einerseits verhängte die Organisation jüdischer
Arbeiter in Palästina einen Boykott gegen Betriebe, die Araber beschäftigten.
Andere mahnten: „Die Nagelprobe für den wirklich jüdischen Charakter
unserer Besiedlung von Palästina wird unser Verhältnis zu den
Arabern sein.“ Verleger, a.a.O., S. 53
Auf dem Treffen des zionistischen Generalrates
1930 in Berlin sagte Weizmann, es sei nicht möglich, Palästina
in einen jüdischen Staat zu verwandeln, denn wir können und wollen
nicht die Araber vertreiben. Ebenda.
In den Jahren 1933 bis 1939 gab es eine
große Auswanderungswelle von Juden nach Palästina. Land wurde
aufgekauft, vor allem in den USA wurde Geld hierfür gesammelt. Arabische
Großgrundbesitzer verkauften Land, vertrieben zum Teil ihre Pächter.
In der zionistischen Bewegung mehrten sich in dieser Zeit die Stimmen,
die einen jüdischen Staat wollten, in dem die arabische Bevölkerung
nichts zu sagen hatte.
1938 sagte David Ben Gurion, Vorsitzender
der jüdischen Vertretungskörperschaft: „Ich bin für Zwangsumsiedlung
der Araber, daran sehe ich nichts Unmoralisches.“
Ab 1939 hatten die Juden Europas nicht
mehr die Möglichkeit, zu wählen, ob sie nach Palästina gehen
wollten. Der Holocaust mordete nahezu das gesamte europäische Judentum
dahin.
Diese Erfahrung schob die Bedenken innerhalb des Restes der jüdischen Europäer gegen einen zionistischen Staat hinweg. Das Ziel war nun: Einen eigenständigen Staat zu haben, in dem die Juden ohne Rücksicht auf andere die Entscheidungsrechte haben sollten.
Hannah Arendt schrieb 1947:
„Dieses ist der Wendepunkt in der Geschichte
des Zionismus; denn er besagt, daß das revisionistische Programm,
das solange scharf zurückgewiesen wurde, nun am Ende siegreich ist.
… Dieses Mal sind die Araber in der Resolution einfach nicht erwähnt
worden, was ihnen offensichtlich die Wahl lässt zwischen freiwilliger
Auswanderung und Bürgerrechten zweiter Klasse. … Dies ist ein Todesstoß
gegen diejenigen jüdischen Parteien in Palästina selbst, die
unermüdlich die Notwendigkeit einer Verständigung zwischen dem
arabischen und dem jüdischen Volk predigten. .. Die Errichtung eines
jüdischen Staates mag als sehr hübsche Lösung erscheinen.
Auf lange Sicht kann man sich kaum eine Entwicklung vorstellen, die gefährlicher
und abenteuerlicher wäre.“ Ebenda, S. 58
Nach 1945 setzten die jüdischen
Organisationen alles daran, überlebende Juden aus Europa nach Palästina
zu holen. 1947 stimmte die UN Vollversammlung für die Teilung des
Mandatsgebietes Palästina in einen jüdischen Staat und einen
palästinensischen Teil.
Der jüdische Staat war erreicht.
Das revisionistisch-zionistische Programm hatte gesiegt.
Verleger, a.a.O. S. 60
Die erste große Vertreibungswelle von Palästinensern begann mit der Zerstörung von 420 palästinensischen Dörfern und hunderttausenden Menschen während des Krieges 1948/49. In allen folgenden kriegerischen Auseinandersetzungen hat Israel sich Stück für Stück das Gebiet Palästinas angeeignet. Heute besteht das palästinensische Gebiet noch aus 27% des ursprünglichen Landes. In diesen Gebieten befinden sich noch eine Reihe israelischer Siedlungen mit mehr als 200.000 israelischen BewohnerInnen. Hinzu kommt, daß das Westjordanland in viele kleine Gebiete aufgeteilt wurde, die zum großen Teil unter israelischer Hoheit stehen.
Antisemitismus
Wie kommt es, daß heute viele
Menschen, Medien, WissenschaftlerInnen Kritik an der Politik der israelischen
Regierung mit dem Wort: Antisemitismus belegen?
Wie wird jüdische Identität heute bestimmt?
„Von alters her definieren sich Juden
über ihre Religion. Die 613 Aufträge Gottes an sein Volk sind
einzuhalten.“ … So sahen es die jüdischen Weisen der verschiedenen
Jahrhunderte. „Die Entwürdigung und Ungleichbehandlung der Palästinenser
durch Israel und seine jüdischen BewohnerInnen stehen im Gegensatz
zu Gottes Auftrag der Nächstenliebe und zum zentralen Inhalt der jüdischen
Religion. Ein traditioneller jüdisch-religiöser Mensch hat also
keine Alternative dazu, als das Vorgehen der jüdischen Siedler und
der israelischen Regierungen gegen die arabischen PalästinenserInnen
aus tiefstem Herzen abzulehnen. .. Auch wenn ich mich nicht mehr an Gottes
Aufträge gebunden fühle, bin ich stolz auf diese Tradition, in
deren Mittelpunkt der Auftrag der Nächstenliebe steht. …
Was machen Juden, die sich nicht mehr
an Gottes Aufträge gebunden fühlen? Wie definieren sie ihre jüdische
Identität?
Jude sein kann bedeuten, sich dem jüdischen
Staat zugehörig zu fühlen – man muß nicht mehr die Gebote
einhalten. … Heißt zugehörig fühlen, jede Maßnahme
der israelischen Regierung zu unterstützen, insbesondere was das Vorgehen
gegen die arabischen Palästinenser betrifft? Ich denke vielmehr, „zugehörig
fühlen“ heißt, sich dafür einzusetzen, daß der jüdische
Staat gute Maßnahmen trifft. Was aber sind gute Maßnahmen?
Gut sind die Maßnahmen doch offenbar
dann, wenn sie 1. zielführend sind und 2. den Grundregeln menschlichen
Zusammenlebens entsprechen.
Zielführend heißt in diesem
Fall: Die Existenz Israels zu sichern. Nach Jabotinsky und Ben Gurion sichert
Israel seine Existenz dadurch, daß es stark ist und die Araber dominiert.
Nach Herzl, Weizmann, Hannah Arendt
und anderen wird Israel seine Existenz dann sichern, wenn es seine arabischen
Nachbarn gut behandelt und Frieden und Ausgleich mit ihnen sucht….
Die entscheidende Frage dabei ist: Wie
geht man als Jude damit um, daß seit der Gründung des Staates
Israel der arabischen Bevölkerung großes Unrecht angetan wurde?
Leugnet man es oder stellt man sich dieser Tatsache? … Die grundlegende
Variante menschlichen Zusammenlebens heißt: Was Dir verhaßt
ist, tu es Deinem Nächsten nicht an!
Die Befürworter eines starken
Israels argumentieren häufig mit dem jüdischen Opferstatus unter
Hitler und sagen: Nie wieder! Die allgemeine Regel wäre dann also:
„Wer Angehöriger eines Volkes ist, daß von einem anderen Volk
bestialisch und systematisch abgeschlachtet wurde, darf vorsichtshalber
ein drittes Volk unterdrücken, damit dieses seinem Volk nicht noch
einmal das antun wird, was ihm das andere Volk antat.“ Verleger, a.a.O,
S. 80 f.
Sich dem jüdischen Staat zugehörig zu fühlen, kann nach den jüdischen Traditionen nur heißen, daß dieser Staat seinen Frieden mit den arabischen Nachbarn macht, in dem er endlich aufhört, die arabischen Palästinenser als Menschen 2. Klasse zu behandeln.
Das Vermächtnis des Holocaust heißt: Gegen alle Formen des Fremdenhass und Antisemitismus aufzustehen, dafür zu sorgen, daß es nie wieder geschieht. Aber es gibt zwei Arten, das zu tun: 1. die universalistische: E soll derartiges niemandem je wieder passieren. 2. Die nationalistische: Das soll uns Juden niemals wieder passieren, notfalls müssen andere leiden. Letzteres ist eine Verirrung, die der jüdischen Tradition und den Regeln menschlichen Zusammenlebens widerspricht. Eine historische Tatsache ist: Opfer werden nicht automatisch zu besseren Menschen.
Hier wird der Anti-Antisemitismus ins Spiel. Er wird zum Identitätsersatz für Juden aber auch für Deutsche, z.B. diejenigen, die sich als Antideutsche bezeichnen. Sie sind in eine völlig unkritische Überidentifikation mit der Politik Israels geraten. Sie gerieren sich als „die besseren Deutschen“, als diejenigen, die allein würdig sind, Geschichte zu interpretieren.
Die Argumentation läuft etwa in
dieser Art und Weise: „Heutzutage bekämpfen die Antisemiten die Juden
nicht mehr dadurch, daß sie sie individuell verprügeln, sondern
in dem sie ihren Staat zerstören wollen. Antisemiten sind nicht mehr
Nazis und die Rechten, Antisemiten sind Araber und die Linken. … Die israelische
Nation ist unsere Nation, (Die Erbin der Opfer des Holocaust). Den Auftrag
unserer ermordeten Vorfahren, den Antisemitismus zu bekämpfen, erfüllt
man, in dem man die Feinde Israels bekämpft.
Was braucht einen bei so viel jüdischem
Identitätsersatz noch die jüdische Tradition und die jüdische
Morallehre zu kümmern?
Gaza seit 2001
„Etwa 1,5 Millionen Menschen, der größte
Teil von ihnen Kinder, leben zusammengepfercht in einer der am dichtesten
bewohnten Region der Erde, ohne Bewegungsfreiheit, ohne Spielplatz und
ohne einen Ort, um sich zu verbergen und Schutz zu finden“, schrieben der
ranghohe UN-Hilfsvertreter Jan Egeland und Jan Eliasson, der damalige schwedische
Außenminister in Le Figaro im Oktober 2006. Sie beschrieben die Menschen,
die wie in einem Käfig leben, die weder vom Land noch vom Meer
oder aus der Luft zu erreichen sind oder nach draußen können.
Ohne regelmäßigen Strom und mit nur wenig Wasser, gequält
von Hunger, Krankheiten und ständigen Angriffen durch israelisches
Militär und Flugzeuge.
Egeland und Eliasson schrieben dies als einen Versuch, das Schweigen in Europa zu brechen, dessen gehorsame Allianz mit den USA und Israel sich darum bemühte, die demokratischen Ergebnisse, mit denen Hamas bei den letzten palästinensischen Wahlen zur Macht kam, rückgängig zu machen.
Gideon Levy und Amira Hass sind Reporter der israelischen Zeitung Haaretz. Im November beschrieb Levy, wie die Leute vor Hunger zu sterben beginnen: „Es gibt Tausende von Verwundeten, Verkrüppelten und von Raketen, unter Schock stehende Menschen, die keine medizinische Behandlung bekommen können …. menschliche Schatten streunen durch die Ruinen … sie wissen nur, dass die israelische Armee zurückkommen wird und was das für sie bedeutet: wochenlanges eingesperrt sein in ihren Häusern, mehr Tod und mehr Zerstörung in unvorstellbaren Proportionen.“
Amira Hass, israelische Journalistin, sie hat in Gaza gelebt und ein dokumentarisch erschütterndes Buch mit dem Titel GAZA geschrieben, beschreibt dieses als Gefängnis, das zur Schande ihres eigenen Volkes gereicht. Sie erinnert sich, wie ihre Mutter Hannah von einem Viehtransportzug zum Nazi-KZ in Bergen-Belsen im Sommer 1944 laufen musste. Diese sah, wie deutsche Frauen sich den Zug der Gefangenen anschauten, also, nur zuschauten“, schrieb sie. Dieses Bild hat sich mir sehr eingeprägt, dieses verächtliche Daneben-stehen und „Nur Zusehen,“ sagt Amira Hass.
Der Journalist John Pilger sagt: „Dieses
„Daneben-stehen und „Nur-Zusehen“ ist das, was all die von uns tun, die
schweigen, weil man sie sonst als Antisemiten bezeichnen würde. Dieses
Daneben-stehen und Zusehen ist das, was zu viele westliche Juden tun. Während
jene Juden, die die humanistischen Traditionen des Judentums achten und
sagen „Nicht in meinem Namen!“ als Selbsthasser beschimpft werden. Daneben
stehen und nur zusehen, das ist das, was fast der ganze US-Kongress als
Hörige oder Eingeschüchterte der zionistischen „Lobby“ tun. Daneben
stehen und nur zusehen, ist das, was „objektive“ Journalisten tun, wenn
sie die Gesetzlosigkeit entschuldigen, die die Ursache israelischer Brutalität
ist, und die historischen Veränderungen im palästinensischen
Widerstand unterdrücken, wie die stillschweigende Anerkennung Israels
durch die Hamas.
John Pilger (67) ist ein bekannter
Reporter vieler brit., US und australischer Zeitungen, Buchautor, Kritiker
der US-Politik, mit vielen internationalen Auszeichnungen.
Die allgemeine Lage der Bevölkerung im Gaza Streifen und im Westjordanland ist seit Juli 2001 unter dem Namen „Operation Gerechtfertigte Rache“ oder Dagan Plan (benannt nach dem Mossad Direktor Meir Dagan) ständig verschlimmert worden. Ariel Sharon stellte diesen Plan im Juni 2001 vor. Zentrales Ziel war: Die Zerstörung der Palästinenser Behörde und Entwaffnung aller Streitkräfte. Dieses Ziel wird Stück für Stück angegangen:
Ø Der Gaza Streifen wurde hermetisch abgeriegelt, zum Ghetto oder „dem größten Freiluftgefängnis der Welt“ wie Bischof Desmond Tutu die Lage bezeichnet. Die israelische Regierung ließ völlig unzureichend Lebensmittellieferungen, Wasser, Medikamente, Treibstoff durch, nur etwa 15% von dem, was gebraucht wurde. Die aktuelle Unterernährung dort ist vergleichbar mit der der ärmsten Staaten Afrikas südlich der Sahara, mehr als die Hälfte der palästinensischen Familien haben nur eine Mahlzeit am Tag. Die Versorgungslage der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten, Strom, Benzin wurde von Tag zu Tag katastrophaler. Die Erwerbslosigkeit in Gaza beträgt über 60%.
Ø 2003 begann der Bau der Apartheid Mauer, durch die noch einmal etwa 10% des fruchtbaren Landes Palästinas annektiert wurden, Dörfer von den Feldern, Verwandte von Verwandten getrennt und die ein Volk quasi einschließt.
Ø Die Räumung der israelischen Siedlungen im Gazastreifen wurde im Westen als Erfolg verkauft. Ariel Sharon machte im März 2004 deutlich, worum es hier ging: Die „Evakuierung“ der jüdischen Bevölkerung, um ein solch brutales Vorgehen, wie es sich seit dem 27.12.2008 zeigt, zu ermöglichen. Das Vorgehen erfordere „No Jews in Gaza“.
Ø Das Ziel der derzeitigen Angriffe ist, wie im Dagan Plan beschrieben, die palästinensisch kontrollierten Gebiete durch eine militärische Invasion zu zerstören, sie vollkommen zu entwaffnen, die militärische und politische Führung zu vertreiben oder zu töten.
Am 27. Dezember 2008 begann die von Israel so bezeichnete Operation: „Gegossenes Blei“, die seit Juni 2008 zum Zeitpunkt der Verhandlungen über einen Waffenstillstand zwischen Hamas und Israel durch Israel vorbereitet wurde.
Die Hamas
Es ist schwierig, von hier aus die
Hamas zu beurteilen. 2006 kam die Hamas durch Wahlen an die Macht. Diese
Wahl hatte viele hundert Wahlbeobachter aus der ganzen Welt, die eindeutig
bezeugten, daß es demokratische Wahlen waren. Israel begann daraufhin
mit der totalen Blockade des Gaza Streifens, Parlamentarier und Minister
der Hamas wurden ins Gefängnis gesteckt. Durch israelische Bombardements
wurden seit 2006 hunderte Menschen in Gaza getötet. Ein Putschversuch
des Warlords Mohammed Dahlan, der von Israel und den USA mit Waffen versorgt
wurde, wurde von der in den Wahlen unterlegenen PLO unterstützt. Der
Putschversuch scheiterte.
Uri Avnery ist der große alte
Mann der israelischen Friedensbewegung. Alles, was ich bis jetzt von ihm
gehört und gelesen habe, zielt auf Verständigung und einen Friedensprozess,
der die Interessen beider Seiten berücksichtigt. Ich vertraue ihm,
die Lage realistisch einzuschätzen. In seinem im Januar veröffentlichten
Bericht: „Wie viele Divisionen“, versucht er eine Charakterisierung der
Hamas.
„Das wirkliche Ziel der Angriffe gegen die Menschen in Gaza (abgesehen davon, mehr Sitze bei den kommenden Wahlen zu gewinnen) ist die Beendigung der Hamasherrschaft im Gazastreifen. In der Vorstellung der Kriegsplaner, sieht die Hamas wie ein Eindringling aus, der fremdes Land kontrolliert. Die Wirklichkeit ist anders.
Die Hamasbewegung hat bei den ausgesprochen
demokratischen Wahlen, die 2006 in der Westbank, in Ostjerusalem und im
Gazastreifen stattgefunden haben, die Mehrheit der Stimmen gewonnen. Sie
gewann, weil die PalästinenserInnen zur Schlussfolgerung gekommen
waren, dass die Fatah durch ihre friedliche, also gewaltfreie Herangehensweise
nichts von Israel erreicht hat – weder den Stopp des Siedlungsbaus noch
irgendeinen bedeutsamen Schritt in Richtung eines Endes der Besatzung oder
der Schaffung des palästinensischen Staates. Die Hamas ist tief in
der Bevölkerung verwurzelt – nicht nur als Widerstandsbewegung, die
den fremden Besatzer bekämpft, sondern auch als eine politische und
religiöse Körperschaft, die im sozialen, schulischen und medizinischen
Bereich aktiv ist.
Vom Standpunkt der Bevölkerung
sind die Hamaskämpfer keine Fremdkörper, sondern die Söhne
einer jeden Familie im Gazastreifen wie auch in den anderen palästinensischen
Gebieten. Sie verstecken sich nicht „inmitten der Bevölkerung“, die
Bevölkerung sieht sie als ihre einzigen Verteidiger an.
Deshalb gründet sich die ganze Operation auf irrigen Vermutungen. Das Leben der Bevölkerung in eine Hölle zu verwandeln, wird die Bevölkerung nicht dahin bringen, sich gegen die Hamas zu erheben, sondern das Gegenteil erreichen, sie vereinigt sich hinter der Hamas und verstärkt ihre Entscheidung, sich nicht zu ergeben.
Die Hauptsache für die Kriegsplaner war, die Todesrate unter den eigenen Soldaten so gering wie möglich zu halten, da sie wussten, dass die Stimmung eines großen Teils der Pro-Krieg-Öffentlichkeit sich ändern würde, sobald Berichte über eigene Todesopfer kommen würden. So war es beim ersten und zweiten Libanonkrieg. Diese Einstellung spielte eine besonders wichtige Rolle, weil der ganze Krieg ein Teil der Wahlkampagne war.
Deshalb wurde eine neue Doktrin formuliert: um Verluste unter den israelischen Soldaten zu vermeiden, solle alles, was in ihrem Weg steht, total zerstört werden. Die Planer waren also nicht nur bereit, 80 Palästinenser zu töten, um einen israelischen Soldaten zu retten, wie es schon geschehen ist, sondern auch 800. Dies bedeutete die bewusste Entscheidung für eine besonders grausame Kriegsführung – und das war ihre Achillesferse.
Eine Person ohne Phantasie wie Barak kann sich nicht vorstellen, wie anständige Leute rund um den Globus auf solche Aktionen wie die Tötung ganzer Großfamilien, die Zerstörung der Häuser über den Köpfen ihrer Bewohner, auf die Reihen von Jungen und Mädchen in Leichensäcken, auf die Berichte über Leute, die tagelang zu Tode bluten, weil die Krankenwagen nicht zu ihnen durchgelassen werden, auf das Töten von Ärzten und Sanitätern, die auf dem Weg sind, Leben zu retten, auf Berichte über das Erschießen von UN-Fahrern, die Lebensmittel bringen, reagieren. Die Kriegsplaner dachten, sie könnten die Welt daran hindern, solche Bilder zu sehen, wenn sie die Presse gewaltsam davon abhalten, zum Schauplatz der Kämpfe zu gelangen. Die israelischen Journalisten waren zu ihrer Schande damit einverstanden, die Berichte und Photos zu bringen, die sie vom Armeesprecher erhalten, als ob dies authentische Nachrichten seien, während sie selbst meilenweit von den Ereignissen entfernt blieben. Ausländische Journalisten wurden gar nicht erst zugelassen, bis sie protestierten und dann zu kurzen ausgewählten und überwachten Trips mitgenommen wurden. Aber in einem modernen Krieg kann eine solch sterile und fabrizierte Sicht alle anderen Perspektiven nicht vollständig ausschließen. Der arabische Sender Aljazeera bringt die Bilder rund um die Uhr und erreicht jedes Haus.
Die Schlacht um den Fernsehschirm ist eine der entscheidenden Schlachten des Krieges. Hunderte Millionen Araber von Mauretanien bis zum Irak, mehr als eine Milliarde Muslime von Nigeria bis Indonesien sehen diese Bilder und sind geschockt. Dies hat eine große Auswirkung auf den Krieg.
DAS VERSAGEN, das Wesen der Hamas zu
begreifen, hat auch ein weiteres Versagen verursacht, nämlich die
voraussagbaren Folgen zu verstehen: nicht nur dass Israel den Krieg nicht
gewinnen kann - die Hamas kann ihn auch gar nicht verlieren.
Selbst wenn es der israelischen
Armee gelingen sollte, jeden Hamaskämpfer bis zum letzten Mann zu
töten, selbst dann würde die Hamas siegen. Die Hamaskämpfer
würden für die arabische Nation als Vorbilder dastehen, als die
Helden des palästinensischen Volkes, als Vorbilder, denen
jeder junge Mann in der arabischen Welt nacheifern sollte. Falls der Krieg
mit einer noch aufrecht stehenden, wenn auch blutenden aber
unbezwungenen Hamas endet – angesichts einer so mächtigen Militärmaschine
wie der israelischen - dann würde dies wie ein phantastischer Sieg
aussehen, wie ein Sieg des Geistes über das Material.
Am Ende ist dieser Krieg auch ein Verbrechen
gegen uns selbst, ein Verbrechen gegen den Staat Israel.“ Uri Avnery, Wie
viele Divisionen? Papier, übersetzt von Ellen Rohlfs, veröffentlicht
in der Jungen Welt am 14.1.2009
Gazas küstennahe Gasfelder
Auch dieser Krieg in Gaza hat ökonomische
Hintergründe, es ist auch eine Schlacht um Ressourcen 1999 wurden
ausgedehnte Gasreserven vor der Küste Gazas entdeckt. Im November
1999 wurden die Öl- und Gasausbeutungsrechte zwischen der British
Gas, ihrem Partner, der internationalen Consolidated Contractors Company,
die den libanesischen Familien Sabbagh und Khouri gehören, aufgeteilt.
In einem auf 25 Jahre geltenden Vertrag, auf der palästinensischen
Seite von Arafat unterzeichnet, wurde festgelegt: 60% für British
Gas, CCC 30%, der Investment Fund, die palästinensische Behörde
sollte 10% der Gasvorkommen ausbeuten können. (Haaretz vom 21.10.2007)
60% der Gasreserven entlang der Gaza-Israel
Küste gehören zu Palästina. Die Lizenz für British
Gas deckt das ganze küstennahe Gaza Gebiet ab, es grenzt an mehrere
israelische Gaseinrichtungen. Das Abkommen schließt eine Feldentwicklung
und den Bau einer Gaspipeline ein. (Middle East economic Digest vom 5.1.2001)
Die British Gas Gruppe begann 2.000 mit den Bohrungen: Gaza Marine 1 und Gaza Marine 2. Vermutet wird ein Gasaufkommen von 1.4 Billionen Kubikfuß, das entspricht einem Geldwert von etwa 4 Milliarden Dollar.
Rechtlich gesehen, gehören die
Bodenschätze Palästina. Arafats Tod und die Wahl der Hamas-Regierung
bedeuteten de facto das Ende der palästinensischen Behörde im
Gazastreifen. Es bedeutete auch, daß Israel de facto die Kontrolle
über die Gasreserven an sich zog. Die Verhandlungen von British Gas
machte diese von nun an mit der Regierung in Tel Aviv. Die gewählte
Hamas Regierung blieb in den Verhandlungen außen vor.
Im Jahre 2001 stellte Ariel Sharon
fest: „Israel werde niemals von Palästina Gas kaufen!“ Der oberste
Gerichtshof stellte fest: Palästinas Herrschaft über die Gasfelder
ist unrechtmäßig, die küstennahen Gasfelder gehören
Israel.
2006 hatte die Hamas den Wahlsieg errungen.
Die palästinensische Behörde in Gaza unter Abbas war damit beendet.
Sie wurde auf die Westbank eingegrenzt. 2007 war der Vorschlag von Olmert,
gebilligt vom israelischen Kabinett: Gas von der palästinensischen
Behörde zu kaufen. Die 4 Milliarden Dollar sollten aufgeteilt werden,
von den 2 Milliarden Profit sollte 1 Milliarde an die Palästinenser
gehen.
Das aber sollte in der Realität
umgangen werden. Die israelische Regierung und die British Gas arbeiteten
einen Deal aus, bei dem sowohl die Hamas, aber auch die palästinensische
Behörde umgangen wurden. Der Kernsatz lautet:
„Die israelischen Verteidigungsbehörden
wollen, daß die Palästinenser mit Waren und Diensten bezahlt
werden. Sie bestehen darauf, daß die von Hamas kontrollierte Regierung
kein Geld erhält.“
In dem vorgeschlagenen Vertrag zwischen
BG und der israelischen Regierung von 2007 sollte das palästinensische
Gas in einer unterirdischen Pipeline in den Hafen von Ashkalon gepumpt
und die Kontrolle über den Verkauf an Israel übertragen werden.
Das Geschäft kam nicht zustande. Der Chef des israelischen Geheimdienstes
Mossad intervenierte aus Sicherheitsgründen.
Mit der Planung für die Operation
„Gegossenes Blei“ wurde nach Informationen des israelischen Militärs
im Juni 2008 begonnen. Im gleichen Augenblick begann Israel erneut Verhandlungen
mit British Gas. Zu dieser Zeit war bereits auf dem Reißbrett ein
neues politisch-territoriales Abkommen über den Gaza Streifen entstanden.
3 Monate vor den Bombardierungen am 27. Dezember 2008 liefen Verhandlungen
zwischen BG und israelischen Regierungsvertretern. Die Ministerien für
Finanzen und für nationale Infrastruktur sowie die Israelische Electric
Gesellschaft begannen im November 2008 Verhandlungen wegen des Kaufs von
Naturgas mit der BG.
Informationen nach Michel Chossudowski,
Global Research vom 8.1.2009, Kürzung und Zusammenstellung, E.D.
Die Rolle der USA und der UN
In Israel leben 1/1000stel der Weltbevölkerung.
Das Pro-Kopf-Einkommen rangiert an 16. Stelle der Weltrangliste. Israel
erhält 40% aller US-amerikanischen Auslandshilfe. Das waren in den
letzten Jahren im Durchschnitt 3.5 Milliarden Dollar. Israels Militär
ist bestens trainiert, ist auf dem höchsten Stand der technologischen
Entwicklung. Die Kriege, die Israel geführt hat, sind immer auch Kriege
gewesen, die ein Testgebiet für neue US-amerikanische Waffen waren.
Darüber hinaus hat Israel in vielen Fällen als Durchgangsstation
für US-amerikanische Waffen an solche Länder gedient, für
die es in den USA schwierig war, direkte militärische Hilfe zu leisten,
so z.B. während der Apartheid nach Südafrika, in den Iran, nach
Guatemala, an die Contras in Nicaragua, die Junta in El Salvador.
Der israelische Geheimdienst hat die US-amerikanischen Geheimdienste in jeder Art unterstützt: beim Sammeln von Informationen und in der Durchführung verdeckter Operationen. Israel besitzt Hunderte ballistische Mittelstreckenraketen. Israel ist die fünftgrößte Atommacht, ohne jemals als Atommacht in den Kreis der Länder, die über Atomwaffen verfügen, somit auch niemals an den Verhandlungen über atomare Abrüstung beteiligt gewesen zu sein.
Israel selber nimmt sich das Recht auf
Bewaffnung mit ABC Waffen, mit jeder Art von Waffen der letzten Hochtechnologie.
Niemals ist diese Bewaffnung Israels in Frage gestellt oder gar Waffenlieferungen
aus den USA angehalten oder als Vorwand für Strafaktionen genommen
worden. Israel kooperiert permanent mit dem US-amerikanischen militärisch-industriellen
Komplex, es gibt gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte für
neue Kampfflugzeuge, Antiraketenprogramme und sogar bei der auf die USA
ausgerichteten Strategischen Verteidigungsinitiative im Weltraum. (Vergleiche
auch:
Felicia Langer, Quo vadis Israel?,
S. 55f. und Martha Honey (Institute for Policy studies) and Tom Barry (Interhemisperic
Resource Center) : Global Focus, U.S. Foreign Policy at the Turn of the
Millenium)
Die USA haben stets die Durchsetzung
von Entscheidungen im UN Sicherheitsrat, Israel aufzufordern, die Siedlungen
aus Palästina zurückzunehmen, blockiert.
Insgesamt gab es seit dem 29. November
1947 22 UN Resolutionen. In ihnen wird unter anderem gefordert:
Ø 1948 Das Rückkehrrecht
der vertriebenen PalästinenserInnen,
Ø 1967 Das Ende aller Kampfhandlungen
im Sechs-Tage-Krieg,
Ø 1967 Den Rückzug der
israelischen Streitkräfte aus den bei Kampfhandlungen besetzten Gebieten,
Ø 1968 Die Rücknahme der
israelischen Maßnahmen für den Status von Jerusalem,
Ø 1968 Erklärt die Enteignung
von Grundstücken als ungültig,
Ø 1973 Die Einsetzung einer
7.000 Mann starken UN Friedenstruppe, die den Waffenstillstand kontrollieren
soll,
Ø Die Politik und Praxis bei
er Errichtung jüdischer Siedlungen in den besetzten Gebieten als unrechtmäßig,
Ø 1979 Verlangt die Einhaltung
der Genfer Konvention von Israel,
Ø 1988 und 1990 Verurteilt die
Ausweisung von PalästinenserInnen als Verstoß gegen die Genfer
Konvention,
Ø Verlangt 2002 Waffenruhe und
sofortigen Abzug der israelischen Truppen aus den palästinensischen
Städten,
Ø Verurteilt den Bau der Mauer
Ø Verlangt im Januar 2009 den
sofortigen Rückzug der israelischen Armee aus Gaza.
Keine dieser Resolutionen ist eingehalten
worden. Die USA haben im Sicherheitsrat die Resolutionen blockiert.
Diese Siedlungen sind unter Verletzung internationalen Rechtes entstanden, das klar besagt, daß Kolonisierung von Territorium durch Militärkräfte einen Bruch des internationalen Rechtes darstellt. Die verschiedenen US Regierungen haben gegen die Resolution 465 des UN Sicherheitsrates verstoßen, die besagt, daß alle Staaten aufgefordert werden, Israel jede Unterstützung zu versagen, die in Zusammenhang mit der Besiedlung der besetzten Gebiete stehen.
Insbesondere seit dem 11. September 2001 wird der so genannte Krieg gegen den Terrorismus weltweit geführt. Auch der Krieg gegen die Menschen in Gaza wird mit dem Kampf gegen die mit Mehrheit gewählte Regierung der Hamas begründet. Wie wir gehört haben, sind die Bezeichnungen für die Hamas radikal islamistisch oder terroristisch.
Vergessen Sie die Rhetorik und überlegen Sie, daß die Welt bisher keine vernünftige Definition von „Terrorismus“ kennt. Des einen Terrorist ist häufig des anderen Freiheitskämpfer“, sagt die indische Schriftstellerin und Aktivistin Arundhati Roy.
Der so genannte Krieg gegen den Terrorismus
der USA, der NATO und Israel, sowie weiterer Verbündeter wird durch
zweierlei Maßstäbe bestimmt.
1. Staatlicher Terrorismus
Die Staatsmacht USA und die Verbündeten
– die so genannte „Zivilisierte Welt“
haben das größte Waffenarsenal
aller Zeiten, jede erdenklich Form von atomaren, biologischen, chemischen,
Klein- und High-Tech Waffen jeder Form entwickelt, produziert und wenden
sie an. Die Ramboisierung der Welt wurde zum Maßstab. Rambo ist derjenige,
der aufgrund der überlegenen Waffen die Macht beansprucht. In ihrem
Kampf um Erhalt ihrer ökonomischen Machtposition führten die
USA Krieg in nahezu allen Teilen der Erde. In Korea, in Vietnam, in Lateinamerika,
Chile, Nicaragua, El Salvador, Kolumbien, in verschiedenen Ländern
Afrikas, im Irak, in Afghanistan, auf dem Balkan, am Golf, um nur einige
zu nennen. Die USA gingen Verbindungen mit Diktatoren und Massenmördern
ein wie Suharto in Indonesien, Saddam Hussein im Irak, Mobutu, Marcos,
Duvalier, Noriega, Pinochet, Duarte und Christiani, den Diktaturen in Argentinien,
Uruguay, Kolumbien, Südafrika während der Apartheid und anderen,
solange diese sich dem Diktat der USA unterordneten.
„Verbrechen wurden nicht bestraft,
nur Ungehorsam“, sagt Noam Chomsky in seinem Buch „War against people“,
Hamburg 2001, S. 10.
Während der achtziger Jahre wurden
zum Beispiel die Contras in Nicaragua, El Salvador und anderen Ländern
Lateinamerikas durch die USA bewaffnet, trainiert und so wirkungsvoll durch
die USA geschaffen. Die Ausbildungsstätte School of the Amerikas in
Georgia bildet systematisch lateinamerikanische Männer zum Töten
und zum Foltern aus.
Die Contras waren für mehr Morde
verantwortlich, als alle terroristischen Gruppen zusammen, die durch die
Länder des Mittleren Ostens unterstützt wurden. Wobei weder die
eine noch die andere Form des Terrorismus gerechtfertigt ist. Die CIA gab
order, Bombenattentate und Ermordungen zu vollziehen. Die Verantwortlichen
hierfür sind niemals zur Rechenschaft gezogen worden.
2. Der Kampf der Freiheitsbewegungen
„Jede Freiheitsbewegung mit Ausnahme
Indiens unter dem wunderbaren Mahatma Gandhi musste durch den Blutsee des
Terrors waten, weil ihr die Kolonial- oder Territorialmächte die Freiheit
verwehrten, die Vietnamesen gegen Franzosen und US-Amerikaner, die Algerier
gegen die Franzosen, der Kongo gegen Belgien, die Kenianer und viele andere
Völker gegen die Briten. Staatenbildung durch Terror, das war die
Auflösungsphase des Rechts der westlichen Welt auf den Rest der Welt.
Staatsterror, Gegenterror und im Erfolgsfall, wenn man unmenschlich genug
war, „durchzuhalten“, die internationale Anerkennung.“ Sagt Eugen Drewermann
in seinen Reden gegen den Krieg, Düsseldorf, 2002, S. 16
Jede Form des Widerstandes gegen die Dominanz und die ökonomischen Interessen der konzerngesteuerten Globalisierung, die zur Durchsetzung ihrer Interessen Kriege braucht, wird heute mit dem Etikett „Terrorismus“ belegt. Sechzig, fünfundvierzig, fünfundzwanzig Jahre früher wären Mahatma Gandhi, Martin Luther King und Nelson Mandela mit diesem Etikett belegt worden.
Die Rolle Deutschlands und der EU
Am 18. März 2008 ging Angela Merkel
mit einer hochrangigen Delegation von einigen MinisterInnen, Abgeordneten
und Geschäftsleuten zu einem mehrtätigen Staatsbesuch nach Israel.
Der Staatsbesuch sollte u.a. eine Friedensmission sein. Daran ist aus mehreren
Gründen zu zweifeln, einmal, da gleichzeitig weitere Waffenlieferungen
an Israel beschlossen wurden. Zum anderen ist davon auszugehen, daß
in einer ehrlichen Friedensmission beide Konfliktparteien aufgesucht und
mit ihnen geredet wird. In den drei Tagen hat Frau Merkel sich nicht mit
einem einzigen Vertreter der PalästinenserInnen getroffen.
Deutschland ist auch an diesem Krieg
in Gaza beteiligt, da nach wie vor ungehindert, unkommentiert und von keiner
Kritik bedrängt, Waffenlieferungen, teilweise als Geschenke, nach
Israel gehen, z.B. 2 von 3 atomar bestückbaren U-Booten. Ich habe
über mehrere Quellen versucht, Informationen über genaue Rüstungslieferungen
zu bekommen. Selbst über Bundestagsabgeordnete war kaum an die Informationen
heranzukommen.
Grundsätzlich ist zu sagen:
2. Israel zählt zu den größeren Empfängern deutscher Rüstungslieferungen außerhalb der NATO und ihr gleichgestellter Staaten. Die Rüstungsexporte gehören zu einer Rüstungskooperation, deren weitere Elemente unter anderem die gemeinsame Auswertung von Rüstungsmaterial, Forschung und Entwicklung sowie Rüstungsprojekte für Drittstaaten sind. Die deutsch-israelische Rüstungskooperation ist Teil der historisch geprägten Beziehungen Deutschlands zu Israel, aber auch der internationalen Konstellation im Nahen und Mittleren Osten, die zu den kriegsgefährdetsten Konfliktregionen der Weltpolitik gehören. · Die deutschen Rüstungslieferungen vollziehen sich zu weiten Teilen ohne das gebotene Maß an Transparenz. · Israel zählt heute zu den wichtigsten Rüstungsproduzenten außerhalb der Industriestaaten mit einem qualitativ hohen Anteil am Weltrüstungsmarkt. Zu den Abnehmern israelischer Rüstungsgüter zählen Staaten, denen andere Zugänge zu modernen Rüstungsprodukten verschlossen sind.
Dauernd wird in den Medien über
die Notwendigkeit der Bombardierung der Waffenpfade für die Hamas
in Gaza berichtet. Wann stoppen wir die Waffenlieferungen an Israel? Die
Waffenlieferungen der „zivilisierten Welt“ an Israel stehen im Verhältnis
etwa 1:1000 derjenigen an die Hamas. Die Zerstörungskraft der Waffenlieferungen
an Israel, angefangen von weißem Phosphor über Urangeschosse
mit lang anhaltender Zerstörungskraft bis hin zu jeder Form von High
Tech Waffen, ist ungleich höher als die der Kassam Raketen. Womit
diese nicht gerechtfertigt werden. Raketen auf Zivilisten abzuschießen,
ist ein Verbrechen.
In Ihrer Rede vor der Knesset sagte
die Bundeskanzlerin u.a. im Namen der deutschen Bundesregierung: „Die Sicherheit
Israels ist ein Teil der Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland.“
Der israelische Soziologe Prof. Moshe Zimmermann bezeichnete die in der
Rede von Angela Merkel zum Ausdruck gebrachte Haltung zum Staat Israel
als eine „befindlichkeitsgeschwängerte Auseinandersetzung mit dem
Antisemitismus über ein fetischisiertes Israel Bild.“
Am 29.12.2008 erklärte die Bundesregierung,
daß die Verantwortung für die Entwicklung in Gaza eindeutig
und ausschließlich bei der Hamas liege, insofern stimme sie mit dem
israelischen Ministerpräsidenten überein. „Mit der einseitigen
Parteinahme für die menschenverachtende, aggressive und kriegstreibende
Politik des Triumvirats Olmert – Barak – Livni, eine Politik, die dem Staat
Israel weder mittel- noch langfristig nützt, sondern schaden wird,
begeht die Bundesregierung einen unerträglichen, gegen die Palästinenser
gerichteten Zivilisationsbruch.
Die Bundesregierung verstößt
damit gegen die universellen Menschenrechte, weil sie deren Einhaltung
von Israel nicht einfordert. Menschenrechte besitzen eine nicht qualifizierbare
Gültigkeit, unabhängig von Rasse, Geschlecht und religiöser
Zugehörigkeit.“
Obeidullah El Mogaddedi, Offener Brief
an Angela Merkel vom 6.1.2009
„Kann die Tatsache, daß
wir europäische Juden Opfer eines von Deutschland verübten großen
Unrechts wurden, dem jüdischen Staat nun das Recht geben, nun Anderen
Unrecht zu tun? Glauben deutsche PolitikerInnen wirklich, es sei eine Wiedergutmachung
der Ermordung meiner jüdischen Verwandtschaft, daß Israel nun
haltlos und bindungslos alles machen darf, was ihm so gerade einfällt?
Rechtfertigt das die abscheulichen
Gräueltaten derzeit in Gaza? Im Gegenteil, es täte Israel unendlich
gut, wenn es aus seiner fantasierten Position, das ewige Opfer zu sein,
herausgeführt würde und wie jeder andere Staat auch fest in das
internationale Regelsystem eingebettet würde. Das heißt:
Die widerrechtliche Besetzung des Westjordanlandes
und die völkerrechtswidrige jahrelange Belagerung Gazas müssen
sanktioniert und boykottiert werden – und – Israel muß mit Hamas
verhandeln.“ Professor Rolf Verleger, Direktoriumsmitglied des Zentralrates
der Juden sagte im Deutschlandfunk am 5.1.2009
Die Europäische Union
Die Europäische Union sollte aufhören,
auf der einen Seite ihre schwammigen Statements zum Frieden abzugeben und
weiter Waffen zu liefern. Sie sollte, so wie sie es mit der Türkei
und Serbien macht, Israel an seinen Fortschritten in der Beachtung der
Menschenrechte, des Völkerrechtes, der UN Resolutionen und der endlich
eingehaltenen Friedenspläne messen. Endlich muß der Friedensplan
mit der Zwei-Staaten Lösung in den Grenzen von 1967 Realität
werden.
Was fordern wir für einen dauerhaften
Frieden?
Das Ergebnis der Parlamentswahlen in
Israel ist nicht ermutigend für den Friedensprozess. Die Rechte unter
Netanjahu, zusammen mit dem offen als Rassisten (Alle arabischen Israelis
raus aus Israel!) auftretenden Avigdor Liebermann ist weder für eine
Zwei-Staaten-Lösung, noch für die bedingungslose Öffnung
des Gaza Streifens, für die Versorgung der Bevölkerung.
Die Verhandlungen über eine Waffenruhe
sollen bereits abgeschlossen sein, werden aber immer wieder auf beiden
Seiten durch Raketenbeschuß und Bombardierungen torpediert.
Voraussetzungen für einen Friedensprozeß
sind:
1. Sofortige Einstellung aller Kriegshandlungen
2.Das Rückkehrrecht
In Israel gibt das Right of return
law, das Recht für jeden Juden aus der Welt, nach Israel einreisen
zu können. Die zu hunderttausenden Vertriebenen Palästinenser
haben nicht mal das Recht, Palästina zu besuchen, geschweige denn
nach Palästina zurückkehren zu dürfen. Dieses Rückkehrrecht
ist ein wichtiges Element für dauerhaften Frieden.
3. Jerusalem
Wie in Jerusalem gelebt werden kann,
ist eine zentrale Frage des Friedensprozesses. Dabei sollten alle bedenken,
daß Jerusalem als Entstehungsort der drei monotheistischen Weltreligionen
angesehen wird, sowohl für das Judentum, das Christentum und den Islam
von besonderer spiritueller Bedeutung ist.
„Für die Juden ist sie der
Ort des zerstörten zweiten Tempels und der Ort der Rückkehr des
Messias sowie der Wiedererrichtung des Tempels,
Christen beziehen die spirituelle Bedeutung
der Stadt aus der Tatsache, daß Jesus in Jerusalem gewirkt hat und
dort gekreuzigt wurde, außerdem soll auch der christliche Messias
am Jüngsten Tag in Jerusalem wieder erscheinen. Nach islamischem Glauben
war Jerusalem vor Mekka die erste Gebetsrichtung (Qibla), und Mohammed
fuhr von Jerusalem aus in den Himmel.“ Nahost-Lexikon, Heidelberg 2001,
S. 172
4. Die Öffnung des Gazastreifens
Die Abschottung von Gaza muß
aufhören.
5. Die Mauer muß eingerissen werden
6. Die Wasserfrage muß gelöst
werden
In der Region Naher und Mittlerer Osten
ist die Wasserfrage zentral. 95% der Agrarflächen in der Westbank
sind ohne Bewässerung unfruchtbar.
Israel bekommt sein Wasser heute vor
allem aus den Zuflüssen des Jordan auf den Golan Höhen und aus
den Grundwasserreserven der Westbank, d.h. aus den palästinensischen
Autonomiegebieten. Israel beansprucht 85% der Wasserquellen in Palästina.
Alle Tiefbrunnen sind in israelischer Hand. Die PalästinenserInnen
bezahlen viermal so viel wie die Israelis für einen Liter Wasser,
Wasser, das aus ihrer Region kommt.
Insbesondere der Nahe und Mittlere Osten wird von diesem Problem und von der Privatisierung des Wassers betroffen sein. Die Quellen von Euphrat und Tigris sind in der Türkei. Die Türkei, Syrien und der Irak sind abhängig von Euphrat und Tigris. In der Türkei sollen mit dem GAP Projekt entlang des Euphrat 22 Staudämme und 19 Wasserkraftwerke entstehen. Das Wasser wird in der Türkei gestaut, die Strömungsgeschwindgkeit des Euphrat hat sich bereits um 35% vermindert.
Israel hat mit der Türkei einen Vertrag über Wasserlieferung abgeschlossen: 500 Millionen Kubikmeter sollen jährlich mittels umgerüsteter Tankschiffe aus der Türkei nach Israel kommen. Israel will das Wasser vorwiegend über Waffenlieferungen an die Türkei finanzieren. In einem Hafen der Südtürkei wird bereits ein Terminal für diese Containerschiffe gebaut. Konflikte und Kriege sind so vorprogrammiert.
7. Kolonisierungs- und Kriegsverbrechen
müssen bestraft werden
Olmert, Barak und Livni müssen
vor den internationalen Gerichtshof in Den Haag.
8. Boykott israelischer Waren
Wir werden eine Liste israelischer
Waren erarbeiten und zum Boykott aufrufen.
9. Friedensgespräche
Jede nur erdenkliche Möglichkeit,
Menschen aus beiden Teilen zusammenzubringen und Friedensgespräche
zu initiieren, werden wir nutzen. Initiativen wie die von Daniel Barenboim
mit dem west-östlichen Diwan Orchester sind wegweisend.
9. Kooperation von Kriegsdienstverweigerern
Die Organisation der deutschen Kriegsdienstverweigerer
sollte solche aus Israel und Palästina einladen und mit ihnen Rundreisen
veranstalten.
10. Versöhnungscamps
Die Stiftungen können Versöhnungscamps
organisieren und finanzieren.
11. Bundestagsabgeordnete
Jede® Bundestagsabgeordnete muß
von uns aufgesucht und zum Gespräch gebeten werden.
Wir müssen die Informationen über
die wahren Hintergründe verbreiten.
Liebe und Frieden – Shalom - Salam
Ellen Diederich, Internationales Frauenfriedensarchiv,
Lothringer Str. 64
46045 Oberhausen, email: friedensa@aol.com