Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
Ich darf Sie / ich darf Euch alle
hier in Heilbronn zur Gedenkstunde anlässlich des heutigen
Antikriegstages im Namen des Friedensbüros
Heilbronn und des DGB Nordwürttemberg
begrüßen.
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!
Genau 50 Jahre ist es her, da lautete
1961 das Mai-Motto des DGB „Freiheit und Frieden für
die ganze Welt“.
Diese Forderung ist heute, 50 Jahre
später, leider aktueller denn je.
Wie wenig Geschichtsbewusstsein
vorhanden ist, haben wir heute erst wieder zur Kenntnis
nehmen müssen: Da kommt tatsächlich
eine Beraterin der Bundeswehr ins
Berufsinformationszentrum der Arbeitsagentur
Heilbronn – und das ausgerechnet am
Antikriegstag! Wir haben uns dazu
entsprechend zu Wort gemeldet, denn wir empfinden dies
als offenen Affront gegen alle,
die sich am Antikriegstag für den Frieden im Kleinen wie im
Großen stark machen: Wir begehen
hier den Antikriegstag – und auf der anderen Seite der
Stadt wird (quasi zeitgleich) jungen
Leuten, die aktuell zum Teil ja leider beruflich keine große
Auswahl haben, der Eintritt in eine
Karriere bei der Bundeswehr empfohlen! – Das ist
unglaublich und für uns in
keiner Weise hinnehmbar! Junge Menschen werden
geworben…um später an Einsätzen
der Bundeswehr, wie zum Beispiel in Afghanistan,
teilzunehmen.
„Das ist ´Werben für´s
Sterben` und deshalb fordern wir: „Bundeswehr raus aus unseren
Schulen und Klassenzimmern und auch
raus aus den Arbeitagenturen.“
2011 jährt sich der Kriegsbeginn
in Afghanistan zum zehnten Mal. Die Nachrichten über Opfer
der Kampfhandlungen erreichen uns
fast täglich. Wir sitzen vor unseren Fernsehgeräten -
sehen die schrecklichen Bilder und
stellen fest, dass diese Bilder in diesen letzten 10 Jahren
zur Gewohnheit geworden sind.
Wir dürfen uns nicht an die
Kriegsbilder gewöhnen! Wir dürfen uns nicht an eine vermeintliche
Normalität von Gewalt und Krieg
gewöhnen und dürfen nicht aufhören aufzuklären, was
die
Menschen brauchen.
Was die Menschen Afghanistan brauchen,
ist nicht unsere Abstumpfung und
Kriegsgewöhnung – sondern unsere
Solidarität: Diese Menschen brauchen Arbeit und
Stabilität statt Unsicherheit
und Gewalt. Wir fordern die Bundesregierung auf, den
Bundeswehreinsatz in Afghanistan
sofort zu beenden und die Zivilgesellschaft stärker zu
unterstützen!
Der Einsatz in Afghanistan ist der
Vorbote für weitere Auslandseinsätze der Bundeswehr. Ihre
Neuausrichtung zur Interventionsarmee
lehnen wir entschieden ab. Wir sind überzeugt: Die
Bundeswehr braucht als Berufsarmee
stärkere demokratische Kontrolle und enge
Verbindungen in die demokratische
Gesellschaft.
Im Frühjahr dieses Jahres begannen
große Proteste in der arabischen Welt. Die Welle des
demokratischen Aufbruchs breitete
sich als eine Art „Hoffnungswelle“ nach und nach auf die
meisten Länder Nordafrikas
und der arabischen Halbinsel aus und brachte die Regime in
Tunesien, Ägypten und jetzt
auch in Libyen zu Fall. Gerade die junge Generation setzt dort
große Hoffnungen darauf, dass
diese Gesellschaften ihren Demokratieprozess friedlich und
solidarisch fortführen.
Wir fordern die Bundesregierung
auf, sich für die Unterstützung dieses Prozesses - stärker
als
bisher - zu engagieren und den Demokratisierungsprozess
in der arabischen Welt auch
finanziell zu unterstützen!
Und noch was, die Bundesregierung
muss Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit ziehen:
Die Waffen, die Machthaber in der
arabischen Welt gegen ihr eigenes Volk einsetzen, haben
unter anderem deutsche und europäische
Rüstungsfirmen geliefert.
Und wieder spielt die weit über
100-jährige Waffenschmiede Oberndorf bei uns im
Schwäbischen mit den Heckler
und Koch – Sturmgewehren in Saudi-Arabien, aber auch in
Libyen eine unrühmliche Rolle.
Deutschland ist der drittgrößte
Waffenexporteur der Welt. Wir fordern die Bundesregierung
einmal mehr auf, Rüstungsexporte
in Krisenregionen zu verbieten und Rüstungsausgaben
nachhaltig zu senken!
Das Ende der zivilen Nutzung der
Atomkraft muss auch das Ende aller Atomwaffen sein. Trotz
der Abrüstung nach dem Kalten
Krieg sind noch immer über 23.000 Atomwaffen
einsatzbereit, auch noch in Deutschland.
Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für ein
atomwaffenfreies Deutschland und
eine atomwaffenfreie Welt insgesamt einzusetzen.
Liebe Friedenfreunde und Friedensfreundinnen,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Am Horn von Afrika, also in Somalia,
Äthiopien, Kenia und Sudan ereignet sich derzeit eine
der schlimmsten Hungerkatastrophen.
Millionen von Menschen sind dort von Dürre und
Hunger betroffen. Dort kämpfen
Menschen ums nackte Überleben und leider viel zu viele
unterliegen in diesem Kampf:
Wir müssen endlich verstehen:
Frieden ist weit mehr, als die Abwesenheit von Krieg:
Wirklicher Friede setzt eine gerechtere
Welt voraus: Und hier sind wir gefragt - hier ist unser
Handeln gefordert: Jede und Jeder
von uns kann dazu beitragen, dass ein wenig mehr Frieden
auf dieser Welt wird, denn wir alle
sind ja auch Teil dieser Welt...
Was Krieg in seiner letzten Konsequenz
bedeutet, habe ich eindrucksvoll neu wahrgenommen,
als ich letzte Woche ein Schreiben
eines Mitbürgers erhielt, in welchem er seine Eindrücke
anlässlich seines ersten Besuchs
eines Soldatenfriedhofs im Elsass aufgeschrieben hat: Er
schrieb darin: „Da irrt ein Schweizer
mit Blumenschale 15 Minuten umher und sucht
offensichtlich einen Verwandten,
da blättern Angehörige verzweifelt im endlosen Verzeichnis,
rufen währenddessen zu Haus
an und fragen nach dem Geburtsdatum des Gefallenen, da
vielleicht 10 Personen den gleichen
Vor- und Zunamen tragen.. da schreibt ein 17-jähriger ins
Gästebuch, dass er hier niemanden
kenne und trotzdem zutiefst erschüttert sei“ Seine
emotionalen Gedanken fasst er im
Anschluss in lyrische Zeilen zusammen: „Ihr Mächtigen der
Welt, falls Ihr Euch wieder einmal
anmaßt über Krieg und Frieden, Leben und Tod zu richten
dann besucht zunächst diese
mahnende Stätte und seht die Früchte“: … „Schaut genau hin
und geht an den nicht enden wollenden
Reihen der schlichten und einheitlich akkurat
ausgerichteten Gräbern gezielt
vorbei: Lest die Namen und vor allem die Geburts- und
Sterbedaten“ … - „Stellt Euch vor,
es ist euer Sohn, der dort liegt!“...
Heute ist der 1. September – Antikriegstag!
– ein Tag an dem wir uns auf die tiefe Sehnsucht
aller Menschen nach Frieden besinnen:
In allen Ländern dieser Erde
leben Menschen, die ein Recht auf ein friedliches Zusammenleben
haben – die sich für sich und
ihre Familien Frieden und ein Leben ohne Angst und Sorge
wünschen - Waffen, das wissen
wir alle, schaffen keinen Frieden, keine Demokratie, keine
Sicherheit und keine Gerechtigkeit
Jede Form von Menschenverachtung,
Kriegsverherrlichung und Chauvinismus ist ein Angriff
auf die Menschenwürde.
Dies zu bekämpfen ist eine
zentrale Aufgabe des demokratischen Staates. Dafür müssen
ausreichende finanzielle Mittel
zur Verfügung stehen.
Wir fordern alle politischen Vertreterinnen
und Vertreter auf, die NPD und alle rechtsextremen
Organisationen endgültig zu
verbieten.
Rechtsextremismus und Rassismus
dürfen in unserer Gesellschaft kein Raum gegeben werden.
Wir wollen alle in einer friedlichen
Welt leben: Doch Frieden entsteht nicht von selbst: Dazu
bedarf es Menschen, die sich für
den Frieden einsetzen: Gut, dass Sie alle da sind / dass ihr
alle da seid um zu zeigen, dass
wir alle eine friedlichere Welt wollen.
Wie Frieden entsteht, seine gesellschaftliche Dimension – dazu wird gleich nach dem Musikstück Herr Prälat in Ruhe Hans-Dieter Wille sprechen, den viele ja noch nicht nur als Prälaten der Evangelischen Landeskirche in der Prälatur Heilbronn sondern auch wegen seiner beeindruckenden Rede am 1. Mai für das Bündnis „Heilbronn sagt Nein“ in bester Erinnerung haben.
Doch zunächst hören wir
Dieter Röthig, dem ich an dieser Stelle ganz herzlich für die
musikalische Umrahmung unserer
Gedenkstunde danken möchte.
Er bringt uns heute insgesamt drei Musikstücke von Jan Rychlik zu
Gehör. Nach dem 1. Stück :
„Prolog“ hören Sie nun „Lamento“
und später wird Dieter Röthig noch das Stück „Adio“ für
uns spielen.
(es gilt das gesprochene Wort)