Antikriegstag 1. September 2011
Silke Ortwein DGB Regionssekretärin

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

Ich darf Sie / ich darf Euch alle hier in Heilbronn zur Gedenkstunde anlässlich des heutigen
Antikriegstages im Namen des Friedensbüros Heilbronn und des DGB Nordwürttemberg
begrüßen.
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!
Genau 50 Jahre ist es her, da lautete 1961 das Mai-Motto des DGB „Freiheit und Frieden für
die ganze Welt“.
Diese Forderung ist heute, 50 Jahre später, leider aktueller denn je.
Wie wenig Geschichtsbewusstsein vorhanden ist, haben wir heute erst wieder zur Kenntnis
nehmen müssen: Da kommt tatsächlich eine Beraterin der Bundeswehr ins
Berufsinformationszentrum der Arbeitsagentur Heilbronn – und das ausgerechnet am
Antikriegstag! Wir haben uns dazu entsprechend zu Wort gemeldet, denn wir empfinden dies
als offenen Affront gegen alle, die sich am Antikriegstag für den Frieden im Kleinen wie im
Großen stark machen: Wir begehen hier den Antikriegstag – und auf der anderen Seite der
Stadt wird (quasi zeitgleich) jungen Leuten, die aktuell zum Teil ja leider beruflich keine große
Auswahl haben, der Eintritt in eine Karriere bei der Bundeswehr empfohlen! – Das ist
unglaublich und für uns in keiner Weise hinnehmbar! Junge Menschen werden
geworben…um später an Einsätzen der Bundeswehr, wie zum Beispiel in Afghanistan,
teilzunehmen.
„Das ist ´Werben für´s Sterben` und deshalb fordern wir: „Bundeswehr raus aus unseren
Schulen und Klassenzimmern und auch raus aus den Arbeitagenturen.“

2011 jährt sich der Kriegsbeginn in Afghanistan zum zehnten Mal. Die Nachrichten über Opfer
der Kampfhandlungen erreichen uns fast täglich. Wir sitzen vor unseren Fernsehgeräten -
sehen die schrecklichen Bilder und stellen fest, dass diese Bilder in diesen letzten 10 Jahren
zur Gewohnheit geworden sind.
Wir dürfen uns nicht an die Kriegsbilder gewöhnen! Wir dürfen uns nicht an eine vermeintliche
Normalität von Gewalt und Krieg gewöhnen und dürfen nicht aufhören aufzuklären, was die
Menschen brauchen.
Was die Menschen Afghanistan brauchen, ist nicht unsere Abstumpfung und
Kriegsgewöhnung – sondern unsere Solidarität: Diese Menschen brauchen Arbeit und
Stabilität statt Unsicherheit und Gewalt. Wir fordern die Bundesregierung auf, den
Bundeswehreinsatz in Afghanistan sofort zu beenden und die Zivilgesellschaft stärker zu
unterstützen!
Der Einsatz in Afghanistan ist der Vorbote für weitere Auslandseinsätze der Bundeswehr. Ihre
Neuausrichtung zur Interventionsarmee lehnen wir entschieden ab. Wir sind überzeugt: Die
Bundeswehr braucht als Berufsarmee stärkere demokratische Kontrolle und enge
Verbindungen in die demokratische Gesellschaft.
Im Frühjahr dieses Jahres begannen große Proteste in der arabischen Welt. Die Welle des
demokratischen Aufbruchs breitete sich als eine Art „Hoffnungswelle“ nach und nach auf die
meisten Länder Nordafrikas und der arabischen Halbinsel aus und brachte die Regime in
Tunesien, Ägypten und jetzt auch in Libyen zu Fall. Gerade die junge Generation setzt dort
große Hoffnungen darauf, dass diese Gesellschaften ihren Demokratieprozess friedlich und
solidarisch fortführen.
Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für die Unterstützung dieses Prozesses - stärker als
bisher - zu engagieren und den Demokratisierungsprozess in der arabischen Welt auch
finanziell zu unterstützen!
Und noch was, die Bundesregierung muss Lehren aus den Fehlern der Vergangenheit ziehen:
Die Waffen, die Machthaber in der arabischen Welt gegen ihr eigenes Volk einsetzen, haben
unter anderem deutsche und europäische Rüstungsfirmen geliefert.
Und wieder spielt die weit über 100-jährige Waffenschmiede Oberndorf bei uns im
Schwäbischen mit den Heckler und Koch – Sturmgewehren in Saudi-Arabien, aber auch in
Libyen eine unrühmliche Rolle.
Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Wir fordern die Bundesregierung
einmal mehr auf, Rüstungsexporte in Krisenregionen zu verbieten und Rüstungsausgaben
nachhaltig zu senken!
Das Ende der zivilen Nutzung der Atomkraft muss auch das Ende aller Atomwaffen sein. Trotz
der Abrüstung nach dem Kalten Krieg sind noch immer über 23.000 Atomwaffen
einsatzbereit, auch noch in Deutschland. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für ein
atomwaffenfreies Deutschland und eine atomwaffenfreie Welt insgesamt einzusetzen.
Liebe Friedenfreunde und Friedensfreundinnen,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Am Horn von Afrika, also in Somalia, Äthiopien, Kenia und Sudan ereignet sich derzeit eine
der schlimmsten Hungerkatastrophen. Millionen von Menschen sind dort von Dürre und
Hunger betroffen. Dort kämpfen Menschen ums nackte Überleben und leider viel zu viele
unterliegen in diesem Kampf:
Wir müssen endlich verstehen: Frieden ist weit mehr, als die Abwesenheit von Krieg:
Wirklicher Friede setzt eine gerechtere Welt voraus: Und hier sind wir gefragt - hier ist unser
Handeln gefordert: Jede und Jeder von uns kann dazu beitragen, dass ein wenig mehr Frieden
auf dieser Welt wird, denn wir alle sind ja auch Teil dieser Welt...
Was Krieg in seiner letzten Konsequenz bedeutet, habe ich eindrucksvoll neu wahrgenommen,
als ich letzte Woche ein Schreiben eines Mitbürgers erhielt, in welchem er seine Eindrücke
anlässlich seines ersten Besuchs eines Soldatenfriedhofs im Elsass aufgeschrieben hat: Er
schrieb darin: „Da irrt ein Schweizer mit Blumenschale 15 Minuten umher und sucht
offensichtlich einen Verwandten, da blättern Angehörige verzweifelt im endlosen Verzeichnis,
rufen währenddessen zu Haus an und fragen nach dem Geburtsdatum des Gefallenen, da
vielleicht 10 Personen den gleichen Vor- und Zunamen tragen.. da schreibt ein 17-jähriger ins
Gästebuch, dass er hier niemanden kenne und trotzdem zutiefst erschüttert sei“ Seine
emotionalen Gedanken fasst er im Anschluss in lyrische Zeilen zusammen: „Ihr Mächtigen der
Welt, falls Ihr Euch wieder einmal anmaßt über Krieg und Frieden, Leben und Tod zu richten
dann besucht zunächst diese mahnende Stätte und seht die Früchte“: … „Schaut genau hin
und geht an den nicht enden wollenden Reihen der schlichten und einheitlich akkurat
ausgerichteten Gräbern gezielt vorbei: Lest die Namen und vor allem die Geburts- und
Sterbedaten“ … - „Stellt Euch vor, es ist euer Sohn, der dort liegt!“...
Heute ist der 1. September – Antikriegstag! – ein Tag an dem wir uns auf die tiefe Sehnsucht
aller Menschen nach Frieden besinnen:
In allen Ländern dieser Erde leben Menschen, die ein Recht auf ein friedliches Zusammenleben
haben – die sich für sich und ihre Familien Frieden und ein Leben ohne Angst und Sorge
wünschen - Waffen, das wissen wir alle, schaffen keinen Frieden, keine Demokratie, keine
Sicherheit und keine Gerechtigkeit
Jede Form von Menschenverachtung, Kriegsverherrlichung und Chauvinismus ist ein Angriff
auf die Menschenwürde.
Dies zu bekämpfen ist eine zentrale Aufgabe des demokratischen Staates. Dafür müssen
ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.
Wir fordern alle politischen Vertreterinnen und Vertreter auf, die NPD und alle rechtsextremen
Organisationen endgültig zu verbieten.
Rechtsextremismus und Rassismus dürfen in unserer Gesellschaft kein Raum gegeben werden.
Wir wollen alle in einer friedlichen Welt leben: Doch Frieden entsteht nicht von selbst: Dazu
bedarf es Menschen, die sich für den Frieden einsetzen: Gut, dass Sie alle da sind / dass ihr
alle da seid um zu zeigen, dass wir alle eine friedlichere Welt wollen.

Wie Frieden entsteht, seine gesellschaftliche Dimension – dazu wird gleich nach dem Musikstück Herr Prälat in Ruhe Hans-Dieter Wille sprechen, den viele ja noch nicht nur als Prälaten der Evangelischen Landeskirche in der Prälatur Heilbronn sondern auch wegen seiner beeindruckenden Rede am 1. Mai für das Bündnis „Heilbronn sagt Nein“ in bester Erinnerung haben.

Doch zunächst hören wir Dieter Röthig, dem ich an dieser Stelle ganz herzlich für die musikalische Umrahmung unserer
Gedenkstunde danken möchte. Er bringt uns heute insgesamt drei Musikstücke von Jan Rychlik zu Gehör. Nach dem 1. Stück :
„Prolog“ hören Sie nun „Lamento“ und später wird Dieter Röthig noch das Stück „Adio“ für uns spielen.

(es gilt das gesprochene Wort)