Dr. Rudolf Luz
Sehr verehrte Mitbürgerinnen, sehr
verehrte Bürger der Stadt Heilbronn!
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Nein! Wegschauen und gewähren lassen
ist der falsche Weg. Ignoranz darf nicht verwechselt werden mit Toleranz.
Heute demonstrieren Mitglieder und
Anhänger der neonazistischen NPD in Heilbronn. Es sind die Ewiggestrigen,
es ist der braune Morast, der heute durch Heilbronns Straßen ziehen
will.
Ich sage dies auch an die Adresse des
Oberbürgermeisters Himmelsbach. Es will Heilbronn zur sauberen Stadt
machen. Die Stadt sollte daher alles tun, dass sie auch vor geistigem Schmutz
bewahrt wird.
Wir möchten nicht, dass Heilbronn
zum Aufmarschort neonazistischer Kräfte wird. Darum sind wir heute
hier auf dieser Gegenkundgebung.
Die NPD ist eine Partei und Sammlungsbewegung,
die mit demagogischen Rezepten auf Stimmenfang gehen will. Sie ist keine
demokratische Partei. Sie will eine neue Ordnung schaffen.
Bekannt ist in der Rechtsextremismusforschung,
dass soziale und wirtschaftliche Probleme über direkte Betroffenheit
oder indirekte Betroffenheit einen Nährboden für den Rechtsextremismus
darstellen.
Arbeitslosigkeit, die Angst vor Arbeitsplatzverlust
nähren existenzielle Ängste und machen empfänglich für
rechtsextremes Gedankengut.
Vor wenigen Monaten veröffentliche
Forsa eine Meinungsumfrage, wonach 25 % der Beschäftigten Angst haben,
ihren Arbeitsplatz zu verlieren. In diese Verunsicherung versucht die NPD
zu stoßen. Eine besondere Zielgruppe sind dabei die jungen Menschen.
Der Informationsdienst gegen Rechtsextremismus
stellt fest, dass die ca. 5.000 Mitglieder zählende NPD "derzeit die
in Deutschland einflussreichste rechtsextreme Organisation" ist. Sie hat
versucht, sich auch in den neuen Bundesländern zu etablieren. Dass
ihr dies mit ihrer Demagogie gelungen ist, zeigt das Wahlergebnis in Sachsen,
wo sie 9,2% der Stimmen bei den letzten Landtagswahlen erhielt.
Die Rezepte, die sie verwendet sind
alt. Es ist ein Gebräu aus Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit,
Intoleranz und Autoritarismus, das die Ängste der Menschen angreift
und mit verhängnisvollen Irrlösungen falsche Versprechungen auftischt.
In ihrem Focus stehen die jungen Menschen.
Mit einer Gratis CD "Schnauze voll?" ging sie auf Stimmenfang. Auch jetzt
versucht sie, auf Schulhöfen mit massenhaftem Medieneinsatz junge
Menschen anzulocken.
Irrational ist die Ideologie der NPD
und gefährlich sind ihre politischen Ziele. Was Irrationalismus und
Aggressivität vereint an brutaler Wirkung entfalten können, haben
wir in unserer Geschichte erfahren.
Es ist skandalös und kann von
uns nicht akzeptiert werden, dass in Deutschland sich jeglicher Antisemitismus
breit macht.
Die NPD ist eine antisemitistische
Partei. Im Jahre 2004 führte die NPD in Zusammenarbeit mit so genannten
"Freien Kameradschaften" in Bochum eine Kampagne gegen den Bau einer Synagoge
durch.
Und NPD-Führer Udo Voigt äußerte
sich im April 2004 zum Holocaust-Gedenkmahl so:
"Für uns ist das kein Holocaust-Gedenkmahl,
sondern wir bedanken uns dafür, dass man uns dort jetzt schon die
Fundamente der neuen deutschen Reichskanzlei geschaffen hat."
Hier spricht nicht nur die Ignoranz
gegenüber dem millionenfachen Mord an den Juden in Europa während
des Faschismus. Es ist mehr als die Verhöhnung der Opfer und grenzt
an Duldung der Täterschaft.
Nie wieder Auschwitz ist für uns
eine Verpflichtung. Diese dunkle Epoche deutscher Geschichte darf nicht
ausgeblendet werden.
Die deutsche Geschichte mahnt uns,
diesen Ideologien von Anbeginn entschieden entgegenzutreten. Der moderne
politische Antisemitismus im deutschen Kaiserreich war gesellschaftsfähig.
Er war ein Instrument der Kanalisierung politischer Unzufriedenheit sozial
deklassierter Menschen. Er war ein Mittel der geduldeten Demagogie und
des Antiliberalismus, der mit der Krise der Weimarer Demokratie im Nazideutschland
sich zu jener unsäglichen aggressiven Ideologie entwickeln konnte.
Ein Wahn, der die millionenfache Vernichtung von Menschen in den Gaskammern
verursachte.
Wir sagen daher eindeutig. Wehret den
Anfängen.
Mit ihrer Programmatik will sich die
NPD als moderne Partei im rechten Parteienspektrum etablieren. Aber da
hilft alles populistische und sozialdemagogische Make-up nichts. Die NPD
- so der Verfassungsschutzbericht 2003 - halte "unverändert
an ihrer offenen, aggressiv-kämpferischen Feindschaft gegenüber
der freiheitlich-demokratischen Grundordnung fest."
Ihre "neue Ordnung" hat mit Demokratie
nichts gemein.
Die NPD lehnt den demokratischen Verfassungsstaat
ab. Sie zielt auf einen `nationalen Sozialismus, der mit einer antikapitalistischen
und völkischen Orientierung einhergeht. Das alles war doch schon
mal.
Und wer wie die NPD gegen ein geeintes,
soziales und demokratisches Europa anmarschiert und die "Wiederherstellung
des Deutschen Reiches" anstrebt, gefährdet in unverantwortlicher Weise
den Frieden.
Gerade deutsche Politik muss sich einer
aktiven Friedenspolitik verpflichten. Wir treten ein für Völkerverständigung.
Angefangen von der Entspannungspolitik der 70er Jahre im vergangenen Jahrhundert
bis heute haben wir eine positive Entwicklung in Europa durch den Integrationsprozess
erfahren können. Diese Entwicklung kann nicht positiv genug geschätzt
werden. Gerade Deutsche Politik muss aus ihrer geschichtlichen Verantwortung
heraus ihren Beitrag für den Frieden in der Welt leisten.
Dieser rechte Revanchismus will die
Geschichte nicht nur revidieren. Dieser nationale Fundamentalismus ist
eine ernsthafte Gefahr und ständige Bedrohung des Friedens.
Die Stereotype sind falsch, aber immer
wieder wirksam. Die NPD verfolgt eine Sündenbockstrategie. Die Angst
vor dem so genannten Fremden wird geschürt. Menschen sind die Leid
tragenden. Schon der Schriftsteller Max Frisch sagte: "Sie holten Arbeiter
und es kamen Menschen." Die NPD schürt bewusst so genannte Fremdenfeindlichkeit.
Zur Auschwitzlüge gesellt sie
die Arbeitslosenlüge. Das Rezept ist einfach. Deutschland löst
das Problem, indem so genannte Fremdarbeiter nach Hause geschickt werden.
In ihrem aktuellen 5-Punkte-Programm
zur Rückführung der Ausländer in ihre Heimat will die NPD:
1. die Ausgrenzung von Ausländern
aus dem nationalen Arbeitsmarkt durch ein Nationales Arbeitsplatzsicherungsgesetz,
2. Ausgliederung aller Nichtdeutschen
aus den Sozialsystemen, und
3. die Enteignung der Ausländer
und Eigentumsverbot an Grund und Boden.
Deutlicher können die Parallelen
zur Arisierung nach 1933 sein.
Auch können wir von damals lernen,
wie viele damals den Antisemitismus hingenommen haben. Kaum regte sich
Protest gegen die Arisierungen oder die Diskriminierungen jüdischer
Mitbürger.
Deshalb müssen wir heute diesem
Fremdenhass entschieden entgegentreten.
Ignoriert und verkannt wird, dass diese
Menschen bei uns seit Jahrzehnten leben und längst hier zu Hause sind.
Bei Audi in Neckarsulm sind weit mehr als 2400 Menschen aus über 60
Ländern beschäftigt. In anderen Betrieben ist das ähnlich.
Diese Menschen arbeiten tagtäglich miteinander, sie leben in Nachbarschaft
und pflegen Freundschaften. Wir lassen uns diese erfolgreiche Integration
und dieses gedeihliche Zusammenarbeiten und Zusammenleben nicht zerstören.
Die rechten Parolen unterschlagen,
dass Deutschland gerade über den Export wirtschaftlicher Waren in
die Welt seinen Wohlstand maßgeblich sichert. Wir sind auf die wirtschaftliche
Zusammenarbeit angewiesen. Wer alte Grenzen zieht, treibt die Arbeitslosigkeit
nur weiter an.
Wir müssen lernen, über die
nationalen Grenzen hinweg zu denken. Der Soziologe Ulrich Beck fordert
zur Lösung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme
ein neues, kosmopolitisches Denken.
Er sagt: "Ein kosmopolitisches Europa
ist zuallererst ein Europa der Differenz, der anerkannten nationalen Partikularitäten.
Diese Vielfalt, sei es der Sprachen, der Künste, der Küchen,
der Wirtschaftsformen, der Politikkulturen und Demokratieformen, erscheint
im kosmopolitischen Blick als eine unerschöpfliche, als die Quelle
des kosmopolitischen Selbstbewusstseins Europas - und nicht als Integrationshemmnis."
Der rechte Nationalismus lehnt diese
Offenheit ab. Er treibt gesellschaftliche Probleme in eine Unlösbarkeit
und provoziert damit unweigerlich unlösbare soziale Konflikte, wie
die Geschichte mehrfach gezeigt.
Dieses Denken hat in der Vergangenheit
zu zwei schrecklichen Kriegen in Europa geführt. Auch Heilbronn hat
an den Folgen des Krieges durch seine Zerstörung bitter gelitten.
Erst seit wir die Grenzen überwinden, ist in Europa Friede eingekehrt.
Nationalismus, Deutschtümelei
und Rassismus sind Ideologien die abgrenzen, wo Brücken gebaut werden
müssen.
Man stelle sich vor, Bayern München
hätte nur deutsche Spieler. Bayern München wäre dann nicht
mehr Bayern. Dies überall zum Prinzip erhoben, sänke die Qualität
des deutschen Fußballs weit unter das Niveau der Bundesliga. Die
Stadien blieben leer, der Sport verlöre an Attraktivität. Bayern
wäre Regionalliga und die Sportschau hätte große Probleme,
die Zuschauer zu halten.
Vielfalt und Offenheit sind Werte,
die wir gegen den rechten Geist verteidigen müssen.
Es wäre doch langweilig, sich
nur von deutscher Küche zu ernähren, in Trachten gekleidet herumzulaufen
und alles außer Bier beim Abgesang deutscher Heimatlieder zu verschmähen.
Schlimm ist, dass einfache und einfältige
Rezepte geboten werden, die besonders solche Menschen ansprechen, die in
der Gesellschaft benachteiligt sind.
Nicht der wohlhabende Bürger wählt
NPD. Es ist nicht selten der Arbeitslose, der Jugendliche ohne Zukunftsperspektive,
es ist der Rentner, der um seine minimale Rente fürchtet.
Daher haben wir als Gewerkschaften
eine besondere Verantwortung. Die Sicherung des Sozialstaates, die Bekämpfung
der Massenarbeitslosigkeit und die Sicherstellung sozialer Gerechtigkeit
sind elementar für die Verteidigung der Demokratie und für eine
nachhaltige Bekämpfung des Rechtsradikalismus. Dies ist nur durch
ein Miteinander aller gesellschaftlichen Kräfte zu erreichen.
Wenn die NPD sich an die Protestwelle
gegen "Hartz IV" anhängt, versucht sie die Unzufriedenheit der betroffenen
Menschen auszunützen. Hier ist klare Abgrenzung notwendig. Und ich
halte es in diesem Zusammenhang für politisch leichtfertig, wenn
mit Begrifflichkeiten wie "Fremdarbeiter" populistisch operiert wird.
Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger
in Heilbronn!
Wir müssen feststellen, dass es
in Heilbronn und Umgebung eine aktive nationale Szene gibt mit der NPD,
den Jungnationalen, der Deutschen Partei, der "Freiheitlichen Initiative
Heilbronn" und der Deutschen Volksunion. Sie bündeln sich im "Nationalen
Bündnis Heilbronn".
Wir können diesem Treiben und
Agieren nicht tatenlos zusehen. Mit dem heutigen Protest verurteilen wir
entschieden, dass sich in Heilbronn eine rechtsextreme Szene verwurzeln
will. Das muss im Ansatz verhindert werden.
Wir appellieren an alle demokratischen
Kräfte, dass wir hier gemeinsam gegen rechts zusammenstehen und geschlossen
diesem unsäglichen Geist entgegentreten.
Wir erwarten von der Stadt Heilbronn,
dass sie alles tut, dass solche Aufmärsche der Rechten verboten werden.
Heilbronn ist eine weltoffene und tolerante
Stadt, dieser Ruf darf nicht beschädigt werden.
(Es gilt das gesprochene
Wort)