Rede auf der Gegenkundgebung anlässlich der  NPD Demonstration
am 17. September 2005 in Heilbronn auf dem Berliner Platz

Dr. Rudolf Luz

Sehr verehrte Mitbürgerinnen, sehr verehrte Bürger der Stadt Heilbronn!
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!

Nein! Wegschauen und gewähren lassen ist der falsche Weg. Ignoranz darf nicht verwechselt werden mit Toleranz.
Heute demonstrieren Mitglieder und Anhänger der neonazistischen NPD in Heilbronn. Es sind die Ewiggestrigen, es ist der braune Morast, der heute durch Heilbronns Straßen ziehen will.
Ich sage dies auch an die Adresse des Oberbürgermeisters Himmelsbach. Es will Heilbronn zur sauberen Stadt machen. Die Stadt sollte daher alles tun, dass sie auch vor geistigem Schmutz bewahrt wird.
Wir möchten nicht, dass Heilbronn zum Aufmarschort neonazistischer Kräfte wird. Darum sind wir heute hier auf dieser Gegenkundgebung.
Die NPD ist eine Partei und Sammlungsbewegung, die mit demagogischen Rezepten auf Stimmenfang gehen will. Sie ist keine demokratische Partei. Sie will eine neue Ordnung schaffen.
Bekannt ist in der Rechtsextremismusforschung, dass soziale und wirtschaftliche Probleme über direkte Betroffenheit  oder indirekte Betroffenheit einen Nährboden für den Rechtsextremismus darstellen.
Arbeitslosigkeit, die Angst vor Arbeitsplatzverlust nähren existenzielle Ängste und machen empfänglich für rechtsextremes Gedankengut.
Vor wenigen Monaten veröffentliche Forsa eine Meinungsumfrage, wonach 25 % der Beschäftigten Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. In diese Verunsicherung versucht die NPD zu stoßen. Eine besondere Zielgruppe sind dabei die jungen Menschen.
Der Informationsdienst gegen Rechtsextremismus stellt fest, dass die ca. 5.000 Mitglieder zählende NPD "derzeit die in Deutschland einflussreichste rechtsextreme Organisation" ist. Sie hat versucht, sich auch in den neuen Bundesländern zu etablieren. Dass ihr dies mit ihrer Demagogie gelungen ist, zeigt das Wahlergebnis in Sachsen, wo sie 9,2% der Stimmen bei den letzten Landtagswahlen erhielt.
Die Rezepte, die sie verwendet sind alt. Es ist ein Gebräu aus Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Autoritarismus, das die Ängste der Menschen angreift und mit verhängnisvollen Irrlösungen falsche Versprechungen auftischt.
In ihrem Focus stehen die jungen Menschen. Mit einer Gratis CD "Schnauze voll?" ging sie auf Stimmenfang. Auch jetzt versucht sie, auf Schulhöfen mit massenhaftem Medieneinsatz junge Menschen anzulocken.
Irrational ist die Ideologie der NPD und gefährlich sind ihre politischen Ziele. Was Irrationalismus und Aggressivität vereint an brutaler Wirkung entfalten können, haben wir in unserer Geschichte erfahren.
Es ist skandalös und kann von uns nicht akzeptiert werden, dass in Deutschland sich jeglicher Antisemitismus breit macht.
Die NPD ist eine antisemitistische Partei. Im Jahre 2004 führte die NPD in Zusammenarbeit mit so genannten "Freien Kameradschaften" in Bochum eine Kampagne gegen den Bau einer Synagoge durch.
Und NPD-Führer Udo Voigt äußerte sich im April 2004 zum Holocaust-Gedenkmahl so:
"Für uns ist das kein Holocaust-Gedenkmahl, sondern wir bedanken uns dafür, dass man uns dort jetzt schon die Fundamente der neuen deutschen Reichskanzlei geschaffen hat."
Hier spricht nicht nur die Ignoranz gegenüber dem millionenfachen Mord an den Juden in Europa während des Faschismus. Es ist mehr als die Verhöhnung der Opfer und grenzt an Duldung der Täterschaft.
Nie wieder Auschwitz ist für uns eine Verpflichtung. Diese dunkle Epoche deutscher Geschichte darf nicht ausgeblendet werden.
Die deutsche Geschichte mahnt uns, diesen Ideologien von Anbeginn entschieden entgegenzutreten. Der moderne politische Antisemitismus im deutschen Kaiserreich war gesellschaftsfähig. Er war ein Instrument der Kanalisierung politischer Unzufriedenheit sozial deklassierter Menschen. Er war ein Mittel der geduldeten Demagogie und des Antiliberalismus, der mit der Krise der Weimarer Demokratie im Nazideutschland sich zu jener unsäglichen aggressiven Ideologie entwickeln konnte. Ein Wahn, der die millionenfache Vernichtung von Menschen in den Gaskammern verursachte.
Wir sagen daher eindeutig. Wehret den Anfängen.
Mit ihrer Programmatik will sich die NPD als moderne Partei im rechten Parteienspektrum etablieren. Aber da hilft alles populistische und sozialdemagogische Make-up nichts. Die NPD -  so der Verfassungsschutzbericht 2003 - halte  "unverändert an ihrer offenen, aggressiv-kämpferischen Feindschaft gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung fest."
Ihre "neue Ordnung" hat mit Demokratie nichts gemein.
Die NPD lehnt den demokratischen Verfassungsstaat ab. Sie zielt auf einen `nationalen Sozialismus, der mit einer antikapitalistischen und völkischen Orientierung einhergeht.  Das alles war doch schon mal.
Und wer wie die NPD gegen ein geeintes, soziales und demokratisches Europa anmarschiert und die "Wiederherstellung des Deutschen Reiches" anstrebt, gefährdet in unverantwortlicher Weise den Frieden.
Gerade deutsche Politik muss sich einer aktiven Friedenspolitik verpflichten. Wir treten ein für Völkerverständigung. Angefangen von der Entspannungspolitik der 70er Jahre im vergangenen Jahrhundert bis heute haben wir eine positive Entwicklung in Europa durch den Integrationsprozess erfahren können. Diese Entwicklung kann nicht positiv genug geschätzt werden. Gerade Deutsche Politik muss aus ihrer geschichtlichen Verantwortung heraus ihren Beitrag für den Frieden in der Welt leisten.
Dieser rechte Revanchismus will die Geschichte nicht nur revidieren. Dieser nationale Fundamentalismus ist eine ernsthafte Gefahr und ständige Bedrohung des Friedens.
Die Stereotype sind falsch, aber immer wieder wirksam. Die NPD verfolgt eine Sündenbockstrategie. Die Angst vor dem so genannten Fremden wird geschürt. Menschen sind die Leid tragenden. Schon der Schriftsteller Max Frisch sagte: "Sie holten Arbeiter und es kamen Menschen." Die NPD schürt bewusst so genannte Fremdenfeindlichkeit.
Zur Auschwitzlüge gesellt sie die Arbeitslosenlüge. Das Rezept ist einfach. Deutschland löst das Problem, indem so genannte Fremdarbeiter nach Hause geschickt werden.

In ihrem aktuellen 5-Punkte-Programm zur Rückführung der Ausländer in ihre Heimat will die NPD:
1. die Ausgrenzung von Ausländern aus dem nationalen Arbeitsmarkt durch ein Nationales Arbeitsplatzsicherungsgesetz,
2. Ausgliederung aller Nichtdeutschen aus den Sozialsystemen, und
3. die Enteignung der Ausländer und Eigentumsverbot an Grund und Boden.

Deutlicher können die Parallelen zur Arisierung nach 1933 sein.
Auch können wir von damals lernen, wie viele damals den Antisemitismus hingenommen haben. Kaum regte sich Protest gegen die Arisierungen oder die Diskriminierungen jüdischer Mitbürger.
Deshalb müssen wir heute diesem Fremdenhass entschieden entgegentreten.
Ignoriert und verkannt wird, dass diese Menschen bei uns seit Jahrzehnten leben und längst hier zu Hause sind. Bei Audi in Neckarsulm sind weit mehr als 2400 Menschen aus über 60 Ländern beschäftigt. In anderen Betrieben ist das ähnlich. Diese Menschen arbeiten tagtäglich miteinander, sie leben in Nachbarschaft und pflegen Freundschaften. Wir lassen uns diese erfolgreiche Integration und dieses gedeihliche Zusammenarbeiten und Zusammenleben nicht zerstören.
Die rechten Parolen unterschlagen, dass Deutschland gerade über den Export wirtschaftlicher Waren in die Welt seinen Wohlstand maßgeblich sichert. Wir sind auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit angewiesen. Wer alte Grenzen zieht, treibt die Arbeitslosigkeit nur weiter an.
Wir müssen lernen, über die nationalen Grenzen hinweg zu denken. Der Soziologe Ulrich Beck fordert zur Lösung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme ein neues, kosmopolitisches Denken.
Er sagt: "Ein kosmopolitisches Europa ist zuallererst ein Europa der Differenz, der anerkannten nationalen Partikularitäten. Diese Vielfalt, sei es der Sprachen, der Künste, der Küchen, der Wirtschaftsformen, der Politikkulturen und Demokratieformen, erscheint im kosmopolitischen Blick als eine unerschöpfliche, als die Quelle des kosmopolitischen Selbstbewusstseins Europas - und nicht als Integrationshemmnis."
Der rechte Nationalismus lehnt diese Offenheit ab. Er treibt gesellschaftliche  Probleme in eine Unlösbarkeit und provoziert damit unweigerlich unlösbare soziale Konflikte, wie die Geschichte mehrfach gezeigt.
Dieses Denken hat in der Vergangenheit zu zwei schrecklichen Kriegen in Europa geführt. Auch Heilbronn hat an den Folgen des Krieges durch seine Zerstörung bitter gelitten. Erst seit wir die Grenzen überwinden, ist in Europa Friede eingekehrt.
Nationalismus, Deutschtümelei und Rassismus sind Ideologien die abgrenzen, wo Brücken gebaut werden müssen.
Man stelle sich vor, Bayern München hätte nur deutsche Spieler. Bayern München wäre dann nicht mehr Bayern. Dies überall zum Prinzip erhoben, sänke die Qualität des deutschen Fußballs weit unter das Niveau der Bundesliga. Die Stadien blieben leer, der Sport verlöre an Attraktivität. Bayern wäre Regionalliga und die Sportschau hätte große Probleme, die Zuschauer zu halten.
Vielfalt und Offenheit sind Werte, die wir gegen den rechten Geist verteidigen müssen.
Es wäre doch langweilig, sich nur von deutscher Küche zu ernähren, in Trachten gekleidet herumzulaufen und alles außer Bier beim Abgesang deutscher Heimatlieder zu verschmähen.
Schlimm ist, dass einfache und einfältige Rezepte geboten werden, die besonders solche Menschen ansprechen, die in der Gesellschaft benachteiligt sind.
Nicht der wohlhabende Bürger wählt NPD. Es ist nicht selten der Arbeitslose, der Jugendliche ohne Zukunftsperspektive, es ist der Rentner, der um seine minimale Rente fürchtet.
Daher haben wir als Gewerkschaften eine besondere Verantwortung. Die Sicherung des Sozialstaates, die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit und die Sicherstellung  sozialer Gerechtigkeit sind elementar für die Verteidigung der Demokratie und für eine nachhaltige Bekämpfung des Rechtsradikalismus. Dies ist nur durch ein Miteinander aller gesellschaftlichen Kräfte zu erreichen.
Wenn die NPD sich an die Protestwelle gegen "Hartz IV" anhängt, versucht sie die Unzufriedenheit der betroffenen Menschen auszunützen. Hier ist klare Abgrenzung notwendig. Und ich halte es in diesem Zusammenhang für politisch leichtfertig, wenn   mit Begrifflichkeiten wie "Fremdarbeiter" populistisch operiert wird.
Liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger in Heilbronn!
Wir müssen feststellen, dass es in Heilbronn und Umgebung eine aktive nationale Szene gibt mit der NPD, den Jungnationalen, der Deutschen Partei, der "Freiheitlichen Initiative Heilbronn" und der Deutschen Volksunion. Sie bündeln sich im "Nationalen Bündnis Heilbronn".
Wir können diesem Treiben und Agieren nicht tatenlos zusehen. Mit dem heutigen Protest verurteilen wir entschieden, dass sich in Heilbronn eine rechtsextreme Szene verwurzeln will. Das muss im Ansatz verhindert werden.
Wir appellieren an alle demokratischen Kräfte, dass wir hier gemeinsam gegen rechts zusammenstehen und geschlossen diesem unsäglichen Geist entgegentreten.
Wir erwarten von der Stadt Heilbronn, dass sie alles tut, dass solche Aufmärsche der Rechten verboten werden.
Heilbronn ist eine weltoffene und tolerante Stadt, dieser Ruf darf nicht beschädigt werden.

(Es gilt das gesprochene Wort)