Manuela Köpf-Weipert, Friedensrat Heilbronn

(es gilt das gesprochene Wort)

Kundgebung „Stoppt den Krieg in Palästina, Israel und Libanon, “ am 29. Juli 2006, Heilbronn
 
 

Ich spreche hier als Frau, die im Heilbronner Friedensrat aktiv ist, aber auch als Frau, die vor einiger Zeit den Libanon im Freundeskreis bereiste und dieses wunderschöne Land mit seinen Kulturschätzen und herrlichen Landschaften kennenlernen durfte.
Warum der Libanon als Schweiz des Nahen Ostens bezeichnet  wird, war uns schnell klar.
Die Folgen des verheerenden Bürgerkrieges waren zwar noch vielerorts spürbar, doch war der Eindruck eines aufstrebenden Landes, geprägt vom Zukunfts-und Optimismusglauben vorherrschend.
Hier hatten es Menschen unterschiedlicher Religionen geschafft, in einem Land gemeinsam zu leben.

Heute sehe ich via TV  Bilder von diesem Land, die mich schockieren, wütend und traurig machen: Menschen, die gerade ihren Alltags-geschäften nachgehen, zerfetzt durch Bomben, Flüchtlingstrecks und Hilfskonvois, hinterrücks aus der Luft beschossen, Einsatz geächteter Waffen wie etwa Streubomben, hunderttausende auf der Flucht.

Die Schrecken des Krieges, mitten im Wohnzimmer, hereingebrochen über ein Land, das verantwortlich gemacht wird für die Entführung zweier Israelis durch die Hisbollah-Miliz.

Wir verurteilen diesen verbrecherischen Akt der Menschenentführung aufs Schärfste!
Doch stehen die kriegerischen Reaktionen Israels in keinem Verhältnis dazu. Ganz im Gegenteil setzen sie eine Gewaltspirale in Gang, deren Eigendynamik schnellstens gestoppt werden muss.
Mit jedem Tag, mit jeder Bombe wächst Ohnmacht, Hass und der Wunsch nach Vergeltung. Ein Flächenbrand droht.

Am Dienstag Abend wurde gar eine UN-Truppe von der israelischen Armee aus der Luft bombardiert, vier UN-Beobachter starben.

Jaques Chirac, der französische Staaspräsident sagte zu diesem Vorfall:
„Wer UN-Friedenssoldaten angreift, der greift die internationale Gemeinschaft an.“

Doch wie reagiert die internationale Gemeinschaft, die am Mittwoch in Rom tagte?
Sie zögerte und taktierte. Beschämend das Zeitbudget, das für diese weltpolitische Angelegenheit anberaumt wurde – ganze zwei Stunden, daraus wurden dann vier, allerdings ohne Konsensbildung.
Ein weitreichendes Ergebnis blieb aus.

Diese internationale Uneinigkeit über einen sofortigen Waffenstill-stand hat Israel als Freibrief für die weitere Bombardierung des Südlibanons verstanden. Das Töten geht weiter, welch eine Farce.

Wir Europäer haben aber die moralische Pflicht, all unser politisches und diplomatisches Gewicht in die Waagschale zu geben und das möchte ich hier mit aller Deutlichkeit sagen, unabhängig jeglicher amerikanischer Sichtweise.

Wir können uns nicht weiterhin einer US-Politik anschließen, die mittels ihrer Außenministerin Rice lapidar verkünden lässt:
„Ein Waffenstillstand um jeden Preis wird von der US-Regierung abgelehnt.“
Ich frage mich, wie hoch muss der Preis sein?

Ich sage, jeder Tote ist ein zu hoher Preis. Diesem menschenverach-tenden Zynismus muss schnellstmöglich begegnet werden.

Auch unsere Bundesregierung kann sich nicht zu der Forderung eines sofortigen Waffenstillstandes durchringen.
Ich aber fordere, die Logik des Krieges muss durchbrochen werden.

Waffenlieferungen müssen international gestoppt werden, ebenso muss die Lieferung von kriegswichtigen Gütern verhindert werden.

Wir Deutsche sollten uns in der Bemühung um Frieden - gerade auf Grund unserer unseligen historischen Vergangenheit und natürlich auch gleichzeitig mit der gebotenen Sensibilität gegenüber Israel - verpflichtet sehen, alle diplomatischen und politischen Möglichkeiten auszuschöpfen, um einen sofortigen Waffenstillstand auf beiden Seiten zu erreichen.
Kritik an der Militärpolitik Israels darf nicht länger als antisemitisch gewertet werden!

Es geht letztendlich nicht darum, dass der Krieg unverhältnismäßig wäre, Krieg ist immer unverhältnismäßig und durch nichts zu legitimieren.

Es geht darum, dass der Nah-Ost-Konflikt schon seit Jahrzehnten schwelt und in diesem Krisengebiet noch nie längerfristig eine Befriedung möglich war.

In einer globalisierten Welt kann und darf ein Konflikt aber nicht regional begrenzt gesehen werden. Eine Internationalisierung in der Bewältigung dieses Krisenherdes ist mehr denn je notwendig.

Weltweit muss die Völkergemeinschaft sich endlich daran machen, eine für alle Seiten tragbare Lösung zu finden.

Jenseits jeglichem ideologischen Lagerdenkens muss jetzt politisch eine Lösung herbeigeführt werden. Eine Lösung, die sowohl Israel sichere Grenzen garantiert wie auch den Palästinensern einen eigenen Staat zusichert!

Frieden im Nahen Osten benötigt eine aufgeklärte und kritische Zivilgesellschaft, die einem national geschürten Hass entgegensteht und den jeweiligen fundamentalistischen Bewegungen den Boden entzieht.

Es darf keinen blutigen Kampf der Kulturen und auch keinen „Heiligen Krieg“ geben! (schon das Wort ist  ein Paradoxum an sich)

In diesen Tagen demonstrierten in Tel Aviv 5.000 Israelis gegen den Krieg unter der Parole „stop shooting, start talking“.

Wir müssen erkennen: Kriege sind keine Naturgewalten, sie sind von Menschen aus Machtkalkül geplante Wege.
 
 

Wir müssen uns davon frei machen, dass es keine Alternativen gäbe.

Frieden fängt im Kopf, im Denken an und setzt sich in vielfältiger Weise fort:

Wir können mittels Briefen, emails, Protestkarten Druck machen auf unsere Regierung, wir können demonstrieren, Menschen in Gesprächen überzeugen und und und.

Die Buntheit und die Pluralität unserer Aktionen, liebe Friedens-freundinnen-und freunde, sind unsere Stärke.

Lasst uns Einfluss nehmen auf den Frieden in der Welt, jede und jeder nach ihren und seinen Möglichkeiten, damit die Menschen im Nahen Osten, aber auch im Sudan, Tschetschenien und anderswo genauso wie wir im ruhigen Europa ein Leben leben können, das menschenwürdig ist.

So wissen die Opfer des Krieges, dass sie nicht vergessen sind und wir uns mit ihnen solidarisieren und die Täter, dass wir sie verantwortlich machen.

Die internationale Friedensbewegung darf nicht müde werden, gegen diesen Nah-Ost-Krieg ihre Stimme zu erheben, Öffentlichkeit herzu-stellen und lautstark ihren Protest zu artikulieren!!!