Rede Gedenkveranstaltung KZ-Friedhof Kochendorf, 08. November 2009,
Bernhard Löffler, DGB-Regionsvorsitzender Nordwürttemberg

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kameradinnen und Kameraden,

wir sind hier und heute zusammengekommen, um der Opfer des Faschismus in dieser Region zu gedenken.
vor 65 Jahren – 1944 - wurde unsere Region Teil des faschistischen KZ-Systems, als die sogenannten „Neckarlager“ eingerichtet wurden.
Vor 65 Jahren war nicht zu übersehen, dass Deutschland den Krieg nicht mehr gewinnen konnte.  Als im Juli 1944 selbst in den Militärs der Widerstand offenbar wurde und das Stauffenberg-Attentat stattfand, glaubte das Hitler-Regime immer noch, sich behaupten zu können, wenn sie die Propagandamaschine und die Rüstungsindustrie zu noch höheren Leistungen antreiben würden.
Im Spätherbst 1944 produzierten Rüstungsfirmen aus ganz Deutschland in unserer Region Teile der von den Nazis vielgepriesenen  „Wunderwaffen“, die den „Endsieg“ bringen sollten.
Im Gipsstollen von Obrigheim wurden Motoren von Daimler-Benz für Flugzeuge produziert, die jedoch nichts mehr gegen die täglichen Bombardierungen deutscher Städte bewirkten.
In dem heutigen Bundeswehrstollen von Neckarzimmern wurden Kugellager gebaut, damit Panzer weiter rollen konnten.
In Siegelsbach bestückte man die „Vernichtungsraketen“ mit dem Kürzel V 1 und V 2 mit Sprengstoff.
Im Salzbergwerk von Kochendorf produzierte man Teile des neu entwickelten Düsenantriebs für Jagdflugzeuge.
Um all dies zu bewerkstelligen verschleppte man etwa 15.000 Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen in unsere Region.
Aber vorher noch – um diese Fabriken überhaupt hierher aufs flache Land verlagern zu können und sie so vor den Bomben der Alliierten zu schützen – zwang man KZ Häftlinge, ihre letzten Kraftreserven dafür zu verausgaben, die Stollen für die Rüstungsproduktion herzurichten.
700 Meter von hier war ein Zwangsarbeiterlager, 500 m von hier im Tal unterhalb dieses Friedhofs war das KZ.
Wenn wir zusammenzählen, wie viele Menschen in den Konzentrationslagern von Kochendorf, Neckarelz und seinen Nebenlagern sowie in Heilbronn-Neckargartach vor 65 Jahren waren, dürften es etwa 5000 gewesen sein.
Die KZ-Häftlinge galten nicht als Menschen, sondern wurden als Mittel betrachtet, das einzusetzen sei. Der Zivilbevölkerung sagte man, es seien Verbrecher und allzu gern gingen die Deutschen über die „Zebras“ hinweg, rechtfertigten ihr Mitläufertum mit den Zeitumständen.
Die KZ-Häftlinge waren nicht nur ausgemergelt, mit Lumpen bekleidet und in verlauste, überfüllte Baracken gepfercht. Sie wurden unter Schlägen zu 12-stündiger Schwerstarbeit getrieben, in der sie ohne maschinelle Hilfen Tunnel auszuschürfen hatten – unter ständiger Todesdrohung, denn programmatisch benannte die SS ihren Einsatz als „Arbeit zum Tode“.

Mit diesem Friedhof schuf man nach dem 2. Weltkrieg eine Stätte für Tote, die während des Bestehens des KZ Kochendorf starben und in verschiedenen Massengräbern verscharrt wurden. Dieser Gedenkort steht in der Reihe mit dem in Neckargartach und in Binau. Letzterer verdeutlicht den Kontext des Völkermords mit dem Tot von KZ-Häftlingen, denn die Nazis nutzten dort einen überflüssig gemachten jüdischen Friedhof, um die Toten eines Rüstungsverlagerungsprojektes zu entsorgen. Gegenüber diesem Zynismus weist uns der KZ Friedhof in Neckargartach und der hiesige auf eine Hoffnung hin: Überlebende schufen oft gegen den Zeitgeist für die Toten ein Mahnmal.
Nach groben Schätzungen überlebten etwa 10 % die Lager für ZwangsarbeiterInnen und KZ-Häftlingen unserer Region nicht. Dies sind 1500 Tote, -Einzelschicksale, bei denen wir das daran geknüpfte Leid nicht nachvollziehen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Kameradinnen und Kameraden
wie schwer wir Deutschen uns mit der faschistischen Vergangenheit tun zeigt sich nicht nur darin, dass Nazis in verschiedenen Landesparlamenten sitzen, - denn auch hier bei uns tun wir uns schwer:
Die Stadt Heilbronn hat bislang keine Anstrengungen unternommen, eine eigene Gedenkstätte für das KZ Neckargartach zu errichten, obwohl dies immer wieder vom DGB , der VVN/BdA und ehemaligen Häftlingen, aber auch Bürger und Bürgerinnen der Stadt gefordert wurde.
In Heilbronn-Neckargartach gab es ein mit Kochendorf vergleichbares KZ. Schon früh hat der Nordheimer Lehrer Heinz Risel die Geschichte des KZ erforscht - die Stadt Heilbronn hat ihn nie unterstützt.
Und besorgt fragen wir uns: Soll stattdessen jetzt auch noch die Kochendorfer Gedenkstätte im hiesigen Salzwerk geschlossen werde?
Die Zukunft des Besucherbergwerks der Südwestsalz ist offen. Der aktuelle Stand ist der: Die Haupteigner – die Stadt Heilbronn und das Land Ba-Wü über die Landesstiftung - sind sich offenkundig nicht einig, wie sie mit dem Besucherbergwerk Kochendorf und somit mit der KZ-Ausstellung weiterverfahren sollen. Die KZ-Gedenkstätte im Salzstollen erinnert an das Schicksal von Zwangsarbeitern, die für die nationalsozialistische Rüstungsindustrie ausgebeutet und misshandelt wurden. Schon hier wird deutlich: Es geht um mehr als ein Freizeitangebot für Schulklassen und Touristen.
Zuerst hieß es, man benötige 3 Millionen Euro für die Renovierung des Bergwerks, nun benötigt man plötzlich nur noch 1,2 Millionen Euro. Endgültig hat sich die SWS noch nicht mitgeteilt. OB Himmelsbach hätte wohl - aus Spargründen - keine Probleme, das Besucherbergwerk Kochendorf zu schließen, das Land ist da vorsichtiger: Die haben Angst, dass es einen Aufschrei geben könnte, wie nach Oettingers Filbinger-Rede. Schließlich waren rund 40 Prozent der KZ-Häftlinge im KZ Kochendorf Juden.
Ein Referent aus dem Finanzministerium hat sich daher vorletzte Woche bei der Miklos-Klein-Stiftung ausführlich über die historischen Hintergründe der Gedenkstätte erkundigt.
Für die Miklos-Klein-Stiftung, - und wir von VVN/BdA und DGB schließen uns da gerne an, - ist eine Verlagerung der Gedenkstätte nach über Tage keine Lösung.
Die Gedenkstätte profitiert immens von dem Publikum des Besucherbergwerks mit bis zu 40.000 Besucher und Besucherinnen pro Jahr, -inklusive vieler Schulklassen. Das sind keine überzeugten Antifaschisten oder historisch Interessierte, sondern ein Querschnitt der Bevölkerung.
Wenn diese Besucher bei der KZ-Ausstellung unter Tage vorbei kommen, staunen sie über die ungeheuerlichen Verbrechen, die hier statt gefunden haben.
Darüber hinaus ist es besonders wertvoll, dass die Ausstellung am authentischen Ort ist: Genau in der Kammer der Ausstellung mussten Häftlinge schuften, - die Wände sind noch geweißelt aus dem Jahr 1944, der Betonboden wurde im August 1944 von italienischen Militärinternierten aufgetragen.
Dort und in der Nebenkammer wollte die Heinkel AG Düsentriebwerke für den "Endsieg" fertigen. Der Versuchsbetrieb lief bereits. Ein überlebender ukrainischer KZ-Häftling hat der Miklos-Klein-Stiftung in dieser Kammer seinen früheren Arbeitsplatz gezeigt.
Über Tage wäre ein solches Museum eine Totgeburt, wie uns Museumspädagogen warnten. Zudem nicht finanzierbar. Und wenn ein Gebäude steht, dann benötigt man auch noch Personal. Im Bergwerk gibt es das für das Besucherbergwerk - eigenes wird nicht gebraucht „Kurz: Die Schließung des Besucherbergwerks wäre das Ende der Miklos-Klein-Stiftung. So haben wir das auch dem Herrn aus dem Finanzministerium mitgeteilt“, meint Klaus Riexinger, Vorsitzender der Miklos-Klein-Stiftung in einem Mail an mich.
Besonders bemerkenswert ist, dass die Südwestsalz einen 5-Millionen-Euro-Kredit aufgenommen hat, um eine Dividende an die Anteilseigner ausschütten zu können. Angesichts der Schließungspläne  und der genannten Sanierungssumme von lediglich 1,2 Millionen kann Einem da nur noch die Spucke weg bleiben!

Heute an dieser Gedenkfeier fordern wir deswegen mit Nachdruck: Die KZ-Gedenkstätte im Salzwerk darf nicht dauerhaft in der Versenkung verschwinden, da sind Land, Stadt Heilbronn und Region in der Pflicht. Schlimm genug, dass die Ausstellung seit 2007, solange ist das Besucherbergwerk bereits geschlossen, nicht mehr zu sehen ist!

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Kameradinnen und Kameraden,
angesichts der hier begrabenen ca. 400 Opfer von Faschismus und Krieg bitte ich sie, der Opfer und ihrer Umstände schweigend zu Gedenken:
Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

70 Jahre nach dem Überfall der Nazis auf Polen hat der Gemeinderat von Cleebronn eine Gedenktafel zur Erinnerung an einen Gestapo-Mord an einem unschuldigen Polen abgelehnt, - der Gemeinderat war der Meinung, dass eine Gedenktafel „den Gemeindefrieden stören könnte“.
Damit hat die Gemeinde Cleebronn die Chance vertan ein sichtbares Zeichen gegen Barbarei und Unmenschlichkeit zu setzen.

Erinnerung muss aber sein, denn Vergessen werden die Opfer nie können, aber auch wir Antifaschisten - welche die damalige Zeit nicht direkt erlebten, -auch wir können nicht vergessen, - schon deswegen nicht, damit so etwas nie wieder passiert und wir uns der Verantwortung stellen, die uns Deutschen angesichts unserer gemeinsamen Geschichte gegenüber den Verbrechen des Faschismus aufgetragen ist!
Wenn wir biografische Dokumente, wie z.B. eine Gedenktafel weitergeben, leisten wir damit zumindest einen kleinen Beitrag zu einer Immunisierungsstrategie gegen rechtsextremes Denken.
Deshalb, und weil wir immer wieder über die damaligen Verbrechen aufklären müssen, unterstützt der DGB nachdrücklich die hier in Heilbronn angelaufene Aktion Stolpersteine, aber auch die aktuelle Forderung der Heilbronner SPD-Fraktion zur Errichtung eines Gedenksteins, der erinnern soll an die Hinrichtung von 24 französischen Widerstandskämpfern im Köpertal. Fast auf den Tag genau 65 Jahre nach diesem barbarischen Akt der Nazis halten wir es für eine Heilbronner Pflichtaufgabe die Erinnerung an diese von Deutschen an aufrechten Franzosen vollstreckte Hinrichtung wachzuhalten! Eine Gedenktafel würde Heilbronn ausgesprochen gut anstehen!

(es gilt das gesprochene Wort)