Redenotiz von OB Mergel – Wider das Vergessen – Gedenkfeier 09.11.2015 – Synagogengedenkstein, Allee (aci)
Liebe Frau Toren, lieber Herr Pfarrer Rossnagel und Herr Winter, liebe Heilbronnerinnen und Heilbronner,
beschämt und bedrückt stehen wir heute hier an der Allee.
Wir gedenken der Nacht vor 77 Jahren, als die Heilbronner Synagoge in Brand
gesteckt wurde. Damals, am 9. November 1938, brannten in unserer und vielen
weiteren Städten in Deutschland jüdische Gotteshäuser. Diese
Gewalt gegen Gebäude mündete schließlich in der Ermordung
von Millionen Menschen. ***
Denken wir an Nationalsozialismus und Krieg hier in Heilbronn, so ist
dieses Erinnern vor allem verbunden mit der Zerstörung unserer Stadt
am 4. Dezember 1944. Über 6500 Menschen verloren damals ihr Leben.
Zahlreiche Heilbronnerinnen und Heilbronner erinnern sich bis heute
mit Schrecken an diesen Tag und die Folgezeit. Er hat sich tief in unser
kollektives Gedächtnis eingegraben.
Und doch sind die Zerstörung der Synagoge, die Ausgrenzung und
Verfolgung von Mitbürgerin-nen und Mitbürgern jüdischen
Glaubens bis in den Tod hinein gleichfalls ein ganz wesentlicher Bestandteil
unserer Geschichte.
Was brachte Menschen dazu, in Mitbürgern und Nachbarn schließlich
Feinde zu sehen, denen man das Recht auf Leben absprach? Wie konnte es
dazu kommen, dass jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger
entrechtet, ausgegrenzt, verfolgt und schließlich ermordet wurden?
-
Was können wir tun, damit solche Verbrechen nicht wieder geschehen?
Welche Lehren gilt es aus unserer Geschichte zu ziehen?
Diesen Fragen müssen wir uns stellen. Und am Anfang steht dabei
die Erinnerung. Denn, mit dem Erinnern beginnt unsere
Auseinandersetzung mit dem Unfassbaren.
Anlässe wie dieser. liebe Heilbronnerinnen, liebe Heilbronner, sind aber nicht nur Anlässe der Erinnerung, sondern zugleich auch Anlässe der Mahnung. Anlässe, die uns Denkanstöße geben sollen. – Hilfe auch und Orientierung in der Gegenwart. – Aber, seien wir sensibel.
Ulrike Ninz hat am 30. Oktober in der SZ eine Rezension zum Essay „Nach
Ausschwitz“ des Historikers Peter Steinbach geschrieben. Sie warnt uns
darin davor, dass Gedenkveranstaltungen wie diese „zur bloßen Pose
verkommen“ und sie zeigt auf, wie wir dies vermeiden:
„Wenn jene gestorben sind, die von den Gräueln berichten können
oder für sie verantwortlich sind, dann müssen wir die Zeitzeugen
der Zeitzeugen werden. Dazu gehört es auch – wachsam zu sein, die
Augen offen zu halten – wichtiger noch: den Mund aufzumachen.
Ich danke allen Gruppen, die sich nicht nur heute, sondern teilweise
seit vielen Jahrzehnten „Wider das Vergessen“ stemmen: der Friedensbewegung
Heilbronn, dem Ev. Jugendwerk, dem DGB, der Vereinigung der Verfolgten
des Naziregimes – dem Bund der Antifaschisten Kreis Heilbronn und natürlich
dem Freundeskreis Synagoge Heilbronn e.V.
Sie wissen, dass es mir persönlich ein wichtiges Anliegen war
und bleibt, dass die Stadt HN diese Gedenkveranstaltung in ihrer Erinnerungskultur
fest - und wenn Sie so wollen, offiziell verankert.
Dies ganz bewusst auch als Teil unseres kollektiven Schuldbekenntnisses.
Denn, liebe Mitbürgerinnen, liebe Mitbürger, unsere Stadt und
ihre Menschen, waren nicht nur Opfer, sondern wir waren auch Täter
– auch am 9. November 1938.
Schuld und Scham sind deshalb das Eine, - dafür einzustehen, dass
Menschen nie wieder wegen ihres Glaubens, ihrer Rasse, ihrer Beeinträchtigung
oder ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert, verfolgt oder gar getötet
werden, dass ist die Verpflichtung, die für uns alle aus dem Gedenken
an den 9. November 1938 erwächst.
Meine Damen und Herren, im Namen der Stadt Heilbronn und Ihrer Bürgerinnen und Bürger bedanke ich mich für Ihre Mitwirkung und ihre Teilnahme an dieser Gedenkveranstaltung.
Das Wort hat nun , nach dem Horkheimer Posaunenchor, Herr Pfarrer und
stv. Dekan Roland Rossnagel, bei dem ich mich schon jetzt ganz herzlich
dafür bedanke, dass er die Aufgabe übernommen hat, die diesjährige
Gedenkrede zu halten.
(Es gilt das gesprochene Wort)