(es gilt das gesprochene Wort)
Antikriegstag 1. September 2008 Heilbronn
Wir befinden uns im
Jahr 8 der durch die UNO im Jahre 2000 ausgerufenen Dekade des Friedens.
8 Jahre im 3. Jahrtausend unserer Zeitrechnung. Basis der Dekade des Friedens
ist die Forderung, daß jeder Mensch auf der Erde ein Anrecht auf
Arbeit, Nahrung, Gesundheit, Bildung, Freiheit und Glück hat. Bei
Pablo Neruda hieß das:
„Ich möchte Erde,
Feuer, Wasser, Brot, Zucker, Meer, Bücher, Heimat für alle.“
Auf welche Realität
trifft die Dekade im Jahre 2008?
Wir befinden uns weiter
im Zeitalter der uferlosen Gewalt. In der Kritik der dialekti-schen Vernunft
sagt Jean Paul Sartre zur Gewalt:
„Gewalt ist kein Merkmal
der Natur oder eine verborgene Möglichkeit. … Es genügt, daß
die Produktionsverhältnisse in einem Klima der Angst und des gegenseitigen
Miss-trauens von Individuen errichtet und aufrecht erhalten werden, die
immer bereit sind, zu glauben, daß der Andere ein Gegen-Mensch ist,
einer fremden Art angehört,“ um Gewalt entstehen zu lassen. Jean Paul
Sartre, Kritik der dialektischen Vernunft, Reinbek 1967, S. 157
Das 20ste Jahrhundert war das blutigste der Menschheitsgeschichte. Im 20sten Jahr-hundert sind mehr Menschen in Kriegen umgekommen, als in den 2.000 Jahren unse-rer Zeitrechnung zuvor. Alleine die 6 Jahre des 2. Weltkriegs, der heute vor 69 Jahren begann, kostete zwischen 55 und 60 Millionen Menschen das Leben. Heute sind wir noch weiter entwickelt: Alle fünf Sekunden stirbt ein Kind an Hunger, dem Mangel an sauberem Wasser oder verweigerten Medikamenten für behandelbare, heilbare Krankheiten. Das, was der 2. Weltkrieg in 6 Jahren an Leben zerstörte, wird heute in zwei Jahren vernichtet.
Wir sind im Würgeriff
globaler Konzerne, Jean Ziegler nennt diese Zusammenballung: Das „Imperium
der Schande“. Zu seiner Absicherung braucht das Imperium Kriege. Zurzeit
haben wir über 30 Kriege, in denen mit Waffen aller Art gekämpft
wird.
Was ist Krieg? Was
auch immer, eines ist er nicht: Abstraktion! „Krieg ist nicht mehr nur
eine „Verfinsterung der Vernunft (Horkheimer). Er ist zur Daseinsberechtigung
des Imperiums geworden.“ Jean Ziegler, Das Imperium der Schande, München
2005, S. 39
Man unterscheidet zwischen
regulären und irregulären Kriegen. Bei der so genannten „regulären“
Form des Krieges handelt es sich um eine bewaffnete Auseinanderset-zung
zwischen Staaten über einen längeren Zeitraum.
Kriege werden mit
Lügen gerechtfertigt. Der Zweite Weltkrieg begann mit der Lüge
von einem angeblichen (in Wirklichkeit aber von der deutschen Wehrmacht
bewusst vorgetäuschten) polnischen Angriff; der Vietnamkrieg mit der
Behauptung, ein ameri-kanisches Kriegsschiff sei im Golf von Tonking von
Vietnamesen angegriffen worden; der Krieg gegen den Irak mit der bewussten
Lüge, die USA und die restliche freie Welt seien bedroht durch einen
angeblich bevorstehenden Angriff mit Massenvernich-tungswaffen und der
Afghanistan Krieg mit der Lüge, daß die Angriffe gegen das World-Trade
Center durch Afghanistan geführt worden seien.
Die Rechtfertigung
von Krieg durch Religionen auf beiden Seiten tut ihr übriges dazu.
Beide beanspruchen „Gott auf ihrer Seite“, der das Böse auf der anderen
Seite besie-gen muß. Sehr beliebt ist auch der Hitler oder Auschwitz
Vergleich.
Weiter werden Werte
wie Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden missbraucht, um Kriege zu rechtfertigen.
Diese Werte sollen den Menschen in den überfallenen Ländern durch
Bombardierungen und Kriegsgräuel aller Art beigebracht werden.
Als George W. Bush
die Bombardierung Afghanistans ankündigte, sagte er: „Wir sind eine
friedliche Nation! … Dieses ist unsere Berufung. Die Berufung der Vereinigten
Staaten von Amerika. Der freiesten Nation der Welt. Eine Nation, die sich
auf funda-mentale Werte gründet, gegen Hass, gegen Gewalt, gegen Mörder
und gegen das Bö-se. Wir werden nicht weichen. …“
„Jetzt wissen wir
Bescheid“, sagt Arundhati Roy: „Schweine sind Pferde, Mädchen sind
Jungen Krieg ist Frieden.“ Essay Spiegel 31. 10. 2001, Krieg ist
Frieden.
Die Kriege tragen Namen
wie: Enduring freedom – Dauerhafte Freiheit, oder Border-less Justice,-
Grenzenlose Gerechtigkeit. „Grenzenlose Gerechtigkeit für die einen
bedeutet Grenzenlose Ungerechtigkeit für die anderen, dauerhafte Freiheit
für die ei-nen dauerhafte Unterjochung für die anderen. …
„Regierungen verwenden
Flaggen, um erst die Hirne der Menschen luftdicht einzuwi-ckeln und echtes
Nachdenken zu ersticken, und dann, um sie als feierliche Leichentü-cher
über die verstümmelten Toten zu breiten.“ Roy, a.a.O.
Legitimierter staatlicher
Terrorismus wird zur Sicherung der für das eigene Land und den eigenen
Wohlstand notwendigen Ressourcen, wo immer sie sich befinden, einge-setzt.
Donald Rumsfeld sagte
nach dem 11. 9.:Wir müssen den uns aufgezwungenen Krieg gewinnen,
in dem wir die Terrornetzwerke vernichten, die unser Volk bedrohen und
uns auf den nächsten Krieg vorbereiten. Dies erfordert eine Umwandlung
unserer Streitkräfte, die es uns ermöglicht, unsere Heimat zu
verteidigen und gleichzeitig Ein-sätze in jedem Winkel der Erde durchzuführen,
oft auch in feindlichen Umgebungen.“
In diese Zusammenhänge
hat sich auch die Bundeswehr unter Bruch der Verfassung inzwischen weltweit
eingeklinkt. Siehe die Ermordung von zwei Kindern und einer Frau vor fünf
Tagen in Kunduz.
Um es klar zu sagen:
Es gibt keine Rechtfertigung für Akte des Terrors, ganz gleich von
wem sie ausgeübt werden, ob von religiösen Fanatikern, von Aufständischen,
Mili-zen oder von staatlicher Seite. Wird einer Seite, welcher auch
immer, nachgegeben, dreht sich die Spirale der so genannten „Kriege gegen
den Terrorismus“ immer schneller, mit immer mehr Lügen.
Die Medien tun ihr
übriges dazu. Gerade im Irak und Afghanistan Krieg war es uner-träglich,
wie gleich geschaltet bis auf wenige Ausnahmen sich die Medien verhalten
und akzeptiert haben, daß sie als embedded journalists, eingebettete
JournalistInnen nur noch Regionen aufsuchen dürfen, die das Pentagon
bestimmt „Hinzu kommt eine kaum zu überbietende Hemmungslosigkeit,
mit der die staatlichen PR-Maschinen ei-niger westlicher Länder
immer kurz vor militärischen Interventionen Gräuelmärchen
über den jeweiligen Gegner verbreiten.“ Jürgen Todenhöfer,
Warum tötest Du, Zaid?, Mün-chen 2008., S. 27
Krieg ist gut für
die Wirtschaft einiger Länder
In diesen Kriegen
wird unendlich viel Profit gemacht. Die Kriegsindustrie brummt. Die USA
und die NATO-Verbündeten verfügen über 2/3 des weltweiten
Militärbudgets. 8 von 10 Ländern mit dem größten nationalen
Militär-Budgets sind NATO-Länder. Russ-land und China zusammen
verfügen heute über 15% des weltweiten Militärbudgets. Die
von den USA so genannten „Schurkenstaaten“ verfügen zusammen über
2% der weltweiten Militärausgaben.
Die Kriege im Irak
und in Afghanistan kosten die USA einem Bericht des US-Kongresses zufolge
fast doppelt so viel wie bislang von der Regierung dafür veran-schlagt.
Von 2002 bis 2008 werden sich die Kosten auf 1,6 Billionen Dollar (1,1
Billio-nen Euro) belaufen, heißt es in einem Bericht des Wirtschaftsausschusses.
1 Billion ist eine
Zahl mit 12 Nullen, Oder: 1.000 Milliarden sind eine Billion.
Für den zivilen
Wiederaufbau stehen nur Bruchteile der Gelder zur Verfügung, die für
das Militär ausgegeben werden. Wiederaufbau unter den Bedingungen
der Militärbe-satzung ist eindeutig die Fortsetzung des Krieges
mit anderen Mitteln, mit Mitteln des neoliberalen globalen Kapitalismus,
der die durch die Kriege der Industrieländer zer-störten Ländern
diese zu Bettler-Ländern, Billiglohnländern und zu Neo Kolonien
macht.
Neben den so genannten regulären Kriegen zwischen Staaten gibt es noch zahlreiche Formen so genannter irregulärer Kriege. Hier sind die Gegner nicht Staaten, sondern bewaffnete Gruppen, Partisanen, Aufständische. Diese Kriege sind heute die Mehr-zahl. Die Waffen für diese Kriege werden mit großem Gewinn aus den Industrieländern geliefert.
Jürgen Todenhöfer,
CDU Mitglied, befürwortet das Recht auf Widerstand.
„Im Westen werden
Widerstandskämpfer, die in legitimer Weise gegen bewaffnete Be-satzer
kämpfen und Terroristen, die Zivilisten ermorden, in einen Topf geworfen.
…“ Es gibt aber diejenigen, „die wirklich für Recht und Freiheit kämpfen.
Die Verdammten dieser Erde, wie Frantz Fanon, der berühmte antikolonialistische
Befreiungstheoreti-ker sie genannt hat.“ Todenhöfer, a.a.O. S. 30
Jürgen Todenhöfer schätzt, daß im Irak 70% der Bevölkerung
sich in diesen Widerstand einreiht.
Alle Freiheitsbewegungen
bis auf wenige (Tibet z.B.) werden durch die westlichen Länder heute
mit dem Etikett „terroristisch“ belegt. Auch der Widerstand gegen den Wahnsinn
der Kriegsmaschinerie bekommt das Etikett „Terrorismus“. Sechzig, vierzig,
zwanzig Jahre früher wären Mahatma Gandhi, Martin Luther King
und Nelson Mandela mit dem Etikett „Terrorist“ gebrandmarkt worden.
In den „neuen“ Kriegen
werden Waffen jeglicher Art eingesetzt. Wen kümmert es, daß
Streubomben, Anti Personen Minen, abgereichertes Uran verbotene Waffen
sind?
„Die Ansprüche
an Kriege sind gesunken. Vorgebliche Verbrecher Fahndung darf jetzt mit
Streubomben oder mit durch Uran abgereicherten Waffen betrieben.... Länder
zer-stört,....ein Massenmord an Zivilisten begangen werden, auch wenn
am Ende kein einziger Verdächtiger gefasst ist, keine Massenvernichtungswaffen
gefunden wur-den....die Zahl der Kriegstoten verschwiegen werden. Roger
Willemsen, Kriegstagebuch in: Terrorismus, Öl und die geheime Außenpolitik
der USA – oder Der 11. September und die Hintergründe des Krieges
gegen den Terrorismus
Darüber hinaus
findet eine Privatisierung des Krieges statt, immer mehr private Fir-men
sind mit teuer bezahlten Söldnern dabei.
Kriegsrealität gibt es in Palästina, Ruanda, Darfur, Sri Lanka, Kongo, Tschetschenien, aktuell Ossetien und vielen anderen Ländern. Zu jedem der Namen fallen uns Bilder der Zerstörung und der Leiden ein.
Exemplarisch beleuchte
ich einige Länder - Irak:
Bevor der jetzige
Krieg begann, gab es bereits ein UN Embargo gegen den Irak, dem 1.5 Millionen
Menschen, darunter 500.000 Kinder zum Opfer fielen.
Die Bilanz nach 5
Jahren Krieg:
Mehr als eine Million
Menschen getötet, vier Millionen IrakerInnen auf der Flucht, etwa
2 Millionen im eigenen Land, zwei Millionen sind in den Libanon, nach Syrien
und Jor-danien geflohen. Unzählige Menschen, vor allem Kinder, leiden
an den Folgen des Ein-satzes von abgereichertem Uran, vier von Zehn IrakerInnen
leben von weniger als ei-nem Dollar am Tag, die einstmals vorbildlichen
Bildungs- und Gesundheitssysteme stehen vor dem Kollaps, Gewalt gegen Frauen
und Mädchen nimmt zu, die Lebensmit-tel- und Wasserversorgung verschlechtert
sich von Tag zu Tag. Die Berichte von Am-nesty international und dem Roten
Kreuz zum fünften Jahrestag des Kriegsbeginns widersprechen vehement
den Nachrichten aus den USA, in denen eine Verbesserung gemeldet wird.
Amnestys und Rote Kreuz Bericht sind eine einzige Anklageschrift ge-gen
den Krieg, Zusammengefasst sagen sie: Im Irak herrschen „Gemetzel und Ver-zweiflung“.
Kaukasus:
Im August 2008 konnte
man beobachten, wie in wenigen Tagen nach dem Überfall Ge-orgiens
auf Süd-Ossetien und den Militärangriffen der Russen auf das
Land das Voka-bular und die Feindbilder des Ost-West Konfliktes wieder
auferstanden. Die NATO ver-sucht, ihre Grenzen auszuweiten, in dem sie
immer mehr Länder aus Eurasien auf-nimmt oder Aufnahme in Aussicht
stellt, Raketenstützpunkte in Tschechien und Polen errichtet. Russland
will keines der Länder ohne weiteres aus seinem Einflussbereich entlassen.
Es geht nicht um abtrünnige
Provinzen. Zu lange schon brennen und schwelen die Kriege in der Region.
In Tschetschenien sind inzwischen 17% der Bevölkerung getötet.
Es geht um die Aufteilung der Herrschaftsgebiete in Eurasien, den Zugang
zum kaspi-schen Erdöl und -gas. Russland ist von US-amerikanisch-westlichen
Gebieten um-schlossen: Finnland, die baltischen Staaten, Polen, die Ukraine,
die Türkei, der Irak, Afghanistan und Japan. Nur an der Südwestlichen
Grenze ist noch eine Lücke: Im Kaukasus und dem Kaspischen Meer. Dort
liegen 4 % der weltweiten Ölreserven und 6% der Gasreserven. Kurze
Wege, um diese Ressourcen in den Westen zu bringen, sind über Russland
oder den Iran. Beides liegt nicht im Interesse der USA. Also geht die mögliche
Planung für den 1.800 km langen Transportkorridor über den Kaukasus.
Er soll über „Aserbaidschan, Georgien, südlich der russisch beherrschten
politischen Gebiete Abchasien und Südossetien, um Armenien herum bis
an die türkische Mittel-meerküsten bei Ceyhan verlaufen.“
Russland hat kein
Interesse, daß die Lücke im Südwesten geschlossen wird.
Im Kampf um die Ressourcen, um Land und Einfluss stehen beide Seiten in
nichts nach.
Vergleiche: Thomas
Immanuel Steinberg, Der Kaukasus Konflikt aus geopolitischer Sicht, Junge
Welt, 20.8.2008
Afghanistan:
Vor 360 Jahren endete
der 30jährige Krieg. Es war der längste Krieg in Europa seit
Menschengedenken, der mit dem Vertragsabschluß des Westfälischen
Friedens 1648 in Münster und Osnabrück beendet wurde. Die Erinnerung
daran ist bis heute leben-dig. 30 Jahre Krieg! In diesem Jahr ist Afghanistan
das Land, in dem seit 30 Jahren Krieg herrscht. Was heißt Krieg in
Afghanistan?
Von den geschätzten 16 Millionen Afghanen Ende der siebziger Jahre starben etwa zwei Millionen Menschen im Kampf gegen die sowjetischen Besatzer, im Bürgerkrieg sowie durch indirekte Kriegsfolgen wie mangelnde Ernährung und medizinische Ver-sorgung, Landminen. Unzählige Menschen sind durch die Folgen des Gebrauchs von abgereichertem Uran unvorstellbar grausam verletzt. Fünf Millionen Menschen flohen in die Flüchtlingslager in den Iran und nach Pakistan.
Der Krieg in Afghanistan
wurde u.a. damit begründet, Frauen müssten befreit werden.
Die Frauen
Als die islamischen
Fundamentalisten die Macht übernahmen, wurden die Frauenrech-te auf
volle Beteiligung am sozialen, ökonomischen, kulturellen und politischen
Leben des Landes drastisch gekürzt, mit der Machtübernahme durch
die Taliban nahezu voll-ständig ausgelöscht. Das Taliban-Regime
erhielt schnellstens eine Spitzenposition un-ter den frauenfeindlichsten
Regimes der Welt. So waren Frauen gezwungen, die Burka zu tragen, dieses
Ganzkörpergewand, in dem nur für die Augen ein Gitter geöffnet
ist.
Den Frauen wurde das Recht auf Bildung versagt, die Mädchenschulen geschlossen. Wenige mutige Frauen, Lehrerinnen unterrichteten Mädchen heimlich in versteckten Räumen. Frauen wurden aus dem Berufsleben ausgeschlossen. Das Recht auf Reisen wurde den Frauen verwehrt. Keine Frau durfte ohne die Begleitung eines männlichen Angehörigen das Haus verlassen. Das Recht auf Rechtsbeistand war verwehrt. Frauen konnten keinen direkten Antrag an ein Gericht stellen, nur durch einen nahen männli-chen Angehörigen. Die Aussage einer Frau galt nur die Hälfte des Zeugnisses eines Mannes. Das Recht auf Gesundheit wurde verwehrt. Frauen durften sich nicht von männlichen Ärzten behandeln lassen, Familienplanung war verboten. Ehebruch wurde mit Steinigung bestraft. Die Alphabetisierungsrate bei den Frauen betrug 5 %, die der Männer um 20 %.
Jahrelang hat die internationale
Frauenbewegung versucht, diese Formen der Unter-drückung bekannt zu
machen und als Grund für Asylgewährung von Frauen aus die-sem
Land durchzusetzen. Keines der Länder, die Afghanistan mit Krieg überziehen,
ist auf die Forderung der Frauenbewegung nach Asylgewährung eingegangen.
Umso wü-tender waren wir zu Beginn des Krieges gegen Afghanistan nach
dem 11. September, daß nunmehr „Frauenbefreiung“ als einer
der Hauptgründe für die Bombardierungen herhalten musste. Mit
einem Mal hatten wir Verbündete: Frau Bush und Frau Blair zu-sammen
mit den Marines an der Spitze des Kampfes um Frauenbefreiung.
Leider ist das Gegenteil
von Frauenbefreiung der Fall. Der Krieg in Afghanistan hat die Taliban
entfernt, nicht besiegt. Der islamische Fundamentalismus ist erneut auf
dem Vormarsch. Das Ausmaß an täglicher Gewalt in Afghanistan
ist etwas was man sich kaum vorzustellen kann. Die Frauengefängnisse
sind voll.
In diesem Krieg geschieht
also das, was wir aus vielen Kriegen kennen: Frauen wer-den instrumentalisiert.
Kriege sind durch und durch patriarchalisch.
„Die neoliberale Globalisierung,
die Freiheit, Demokratie und Gleichheit bringen soll, führt überall
auf der Welt zu einem Neopatriarchat.“ Maria Mies, a.a.O., S. 103
80 – 90% der Kriegsopfer
weltweit sind heute Frauen und Kinder.
Die Bundeswehreinheiten
lagern vor allem in der Region um Kunduz
Kunduz
„Wenn Orte geronnene
Erfahrung sind, wenn sie sich zusammensetzen aus allem, was je in ihnen
gefühlt wurde, dann ist diese Angst eine Art Offenbarung. Kunduz gibt
sich zu erkennen. In das Weichbild der Stadt haben sich Bombenabwürfe
und Raketenbe-schuss, Vergewaltigungen, Folter und Morde eingedrückt.
Heckenschützen haben ge-lauert, Späher haben Häuser auf
der Suche nach Versteckten durchsucht, Marodie-rende haben zerstört,
Soldatentrupps haben Bauwerke gestürmt und verwüstet, Frau-en
haben geschrieen, Kinder das Weite gesucht. Jede denkbare Konstellation
kann sich wiederholen. Es ist alles noch zu frisch. Die Gewalt ist nicht
Vergangenheit, ist nicht archaisch, nicht Kultus. Sie ist nur für
ein paar Tage nicht hier her gekommen, und wir reden schon vom Frieden.“
Roger Willemsen, Afghanische Reise, Frankfurt/Main 2006, S. 116 f.
Der Militäreinsatz
der Bundeswehr
Der Einsatz der Bundeswehr
in Afghanistan ist verlängert worden. Er besteht aus drei Mandaten:
Die Operation Enduring Freedom (OEF), die Internationale Schutztruppe (ISAF)
und den im März dieses Jahres beschlossene Tornadoeinsatz der Luftwaffe.
Im Unterschied
zu Peter Struck sind wir nicht der Meinung, daß unsere Freiheit am
Hindukush verteidigt wird. Auch nicht, daß unser Engagement in Afghanistan
notwen-dig und richtig ist.
Im Gegenteil:
„Es gibt keine Gründe, für deutsche Soldaten in Afghanistan.
Die deut-sche Beteiligung am Antiterrorkrieg hat den Terror eher gefördert
als eingedämmt. Auch das Nato-Projekt Nation Building ist dort in
eine Sackgasse geraten. Die Protek-toratsstrukturen führen unweigerlich
zu Korruption. Man muss Priorität auf zivilen und wirtschaftlichen
Aufbau legen, deshalb fordern wir den> unverzüglichen militärischen
Rückzug deutscher Soldaten in Afghanistan.“ Paul Schäfer
Stern-Umfrage vom 26.7.2007:
Sollen die Deutschen gehen oder bleiben?
Mohammed Daoud hat
einen Laden an der Markthalle in Kunduz, nur drei Meter von jener Stelle
entfernt, an der im Mai ein Sprengsatz drei deutsche Soldaten und fünf
af-ghanische Zivilisten tötete.
„Deutsche? Erwähne
ihren Namen nicht. Ich hasse sie. Die fahren hier in der Stadt her-um,
aber wir wissen gar nicht, was sie eigentlich machen. Die haben unser Land
besetzt. Ihretwegen ereignete sich der Anschlag, und unsere muslimischen
Brüder starben. Ich habe alle meine Waren verloren und wurde am Auge
verletzt. Wenn die Deutschen nicht hier wären, würden die
Taliban niemals Zivilisten angreifen. Jedes Mal, wenn ich einen Deutschen
sehe, habe ich Angst vor einem Anschlag.“
Die vier apokalyptischen
Reiter
Neben diesen direkt
kriegerischen Auseinandersetzungen mit Waffengewalt gibt es eine weitere
Form des Krieges, der in seinen Dimensionen unerträglich ist. „Für
die Menschen der „Dritten Welt“ ist der Dritte Weltkrieg in vollem Gange.
Heute heißen die vier apokalyptischen Reiter Hunger, Durst, Seuche
und Krieg.“ Jean Ziegler.
Dieser dritte Weltkrieg ist ein heißer Krieg. Ich habe den Begriff „Kalter Krieg“ für den Ost und West Konflikt nie begriffen. Auch zu der Zeit war es immer ein heißer Krieg. Die dringend benötigten Ressourcen zur Lösung der humanitären, ökologischen, Kli-maprobleme wurden und werden in die unsinnige Rüstungsmaschinerie geschleudert. Während wir hier sitzen und reden, stirbt in der Zwei Drittel Welt alle fünf Sekunden ein Kind an Hunger, dem Mangel an sauberem Wasser und bezahlbaren Medikamenten für leicht heilbare Krankheiten. Der tägliche Massenmord.
Vor einigen Wochen wurde in Leipzig ein kleines Mädchen vermisst. Ein Aufgebot von 170 Polizisten, Hubschraubern, Nachtsichtgeräten wurden eingesetzt, um das Mäd-chen oder ihren toten Körper zu finden. Die Sorge um ein kleines Mädchen mobilisiert hier zu Recht den Einsatz von hunderten von HelferInnen. In Afghanistan, dem Irak, dem Sudan und anderen Ländern der 2/3 Welt sterben täglich zehntausende von Kin-dern, ohne daß es einen Aufschrei und endlich Taten gibt, die das verhindern.
Die Kosmokraten versuchen sich, die Erde, alles Lebendige, alle Ressourcen anzueig-nen. Sie wollen eine grenzenlose Privatisierung auch der Grundbedürfnisse wie Zu-gang zu Wasser, Bildung, Gesundheit. Sie arbeiten mit genmanipulierte Pflanzen, ohne die Folgen zu bedenken. Sie zwingen die Bauern, ihre Selbstmordsamen zu kaufen, Samen, die sich nach der Ernte vernichten. Sie wollen Patente auf Pflanzen. Sie sind so krank, daß man fast schon Mitleid haben könnte.
Die Gier nach Reichtum, die verfehlte Ökonomie, die gnadenlose Ausbeutung von Mensch und Natur hat zur Folge, daß über zwei Milliarden Menschen in absoluter Ar-mut leben, also über weniger als einen Dollar am Tag verfügen. Absolute Armut bedeu-tet: Kein regelmäßiges Einkommen, keine regelmäßige Arbeit, keine Wohnung, die die-sen Namen verdiente, keine medizinische Versorgung, nicht genug zu Essen, kein sauberes Wasser, kein Zugang zu Bildung.
In den Industrieländern breitet sich immer schneller eine relative Armut aus. Sie führt zu unfriedlichen Verhältnissen. Als relativ arm gilt, wessen Einkommen weniger als 50 Prozent des Durchschnittseinkommens eines Landes beträgt.
„Wer arm ist, wird bald ausgeschlossen. Wird einsam. ... Die Kränkung, nicht teilneh-men zu können, geht überall tief. Macht krank. In Deutschland fallen 4.5 Millionen Men-schen unter Hartz IV. Zwei Millionen Erwerbstätige haben so niedrige Löhne, daß sie von diesen nicht existieren können. Das sind samt Familienangehörigen noch mal etwa 5 Millionen Menschen.“ Gabriele Gillen, Hartz IV, eine Abrechnung, S. 138 f.
2.5 Millionen Kinder leben hier unterhalb der Armutsgrenze. In meinem Stadtviertel Oberhausen Mitte sind es 48% der Kinder. Arme werden diskriminiert. Für diejenigen, die Arbeit haben, wird der Druck immer größer. Eine Spaltung wird zwischen denen, die Arbeit haben und denen, die erwerbslos sind, bewusst betrieben. Verarmung ge-schieht schleichend, greift immer tiefer in die Psyche und das Leben ein. Die Bedro-hung der permanenten Reduzierung von Lebensmöglichkeiten schafft die Kälte einer undefinierbaren Angst, lässt die Wut einfrieren. Der Prozess wird täglich dadurch un-terstützt, dass in den Medien so genannte „ExpertInnen“ über etwas reden, was sie nicht betrifft, was wir, die wir in diesem Prozeß sind, viel besser ausdrücken könnten. Armut in der BRD: Die Morgennachrichten sind wie Russisches Roulette: Was wird uns als nächstes treffen?
Den 2 Milliarden absolut
armen und den Hunderten Millionen relativ armer Menschen stehen 500 der
mächtigsten transkontinentalen kapitalistischen Privatgesellschaften
der Welt gegenüber, sie kontrollieren 52% des Weltsozialproduktes.
„Heute haben sich
neue Feudalsysteme herausgebildet, die unvergleichlich mächtiger,
zynischer, brutaler und gerissener sind als die früheren, nämlich
die transkontinenta-len Privatgesellschaften der Industrie, des Bankwesens,
des Dienstleistungssektors und des Handels.“ Jean Ziegler, Das Imperium
der Schande, München 2005, S. 29
Es sind neue Feudalherren die planetarische Macht ausüben. Die Attentate vom 11. September 2001 in den USA haben eine dramatische Beschleunigung des Prozesses der Refeudalisierung bewirkt. Sie waren für die neuen Despoten, für das Imperium der Schande ein Schritt, die Welt endgültig in Besitz zu nehmen, sich der Ressourcen zu bemächtigen, die Demokratie zu vernichten.
Die innenpolitischen Veränderungen in den westlichen Ländern sind seit dem 11. Sep-tember2001 enorm. Eine systematische Beschneidung von Grundrechten, Überwa-chungen, Aufrüstung der Polizei und des Militärs durch so genannte „Sanfte Waffen“, Pläne zum Einsatz des Militärs im Inneren gegen Demonstrationen wie beim G 8 Gipfel in Heiligendamm schreiten voran. Die Friedens- und Antiglobalisierungsbewegungen werden beschuldigt, Feinde der »westlichen Zivilisation« zu sein.
Im letzten Jahr erfahren
wir eine dramatische Zunahme von Lebensmittelknappheit, die bewusst herbeigeführt
wird. Lebensmittel- und Milchprodukte, Getreide, werden inzwischen an den
Börsen gehandelt. Sobald Güter durch verstärkte Nachfrage
knapp werden, steigen die Preise entsteht Mangel. Verstärkt wird dieser
Prozeß noch durch den Biosprit Wahn. Immer mehr landwirtschaftliche
Flächen gehen für die Nahrungs-mittelproduktion verloren. In
der Eifel wird statt Weizen oder Dinkel in großem Stil heu-te Mais
angebaut wird, Ölsaaten in Kolumbien, in Brasilien werden Zuckerrohr
und Mais für Biosprit angebaut.
In den Industrieländern
steigen die Lebensmittelpreise in schwindelndem Tempo, vor allem aber auch
die Preise für Energie.
„In dem Stadium, das die Erde durch ihre landwirtschaftlichen Produktionsmittel er-reicht hat, könnte sie 12 Milliarden Menschen normal ernähren, anders gesagt, sie könnte für jeden einzelnen eine Ration von 2700 Kalorien pro Tag bereitstellen. Wir sind heute nur etwas über 6 Milliarden Menschen auf der Erde, und trotzdem leiden Jahr für Jahr 826 Millionen von ihnen an chronischer, krank machender Unterernäh-rung.
Es kommt nicht darauf
an, den Menschen der Dritten Welt mehr zu geben, sondern ihnen weniger
zu stehlen". Ziegler
Was können wir
tun?
Es ist Zeit für
eine radikale Umwälzung der Verhältnisse.
Wo ist heute Hoffnung,
welche Bewegungen gibt es?
Eine Hoffnung ist die Entwicklung in Lateinamerika insgesamt. Im Zeitraum von 5 Jah-ren sind in 10 lateinamerikanischen Ländern andere Regierungen an die Macht ge-kommen, ein Indio, Evo Morales, wurde Präsident von Bolivien. Er schlägt vor, der von Washington konstruierten Achse des Bösen eine Achse des Friedens entgegenzustel-len. Befreiungstheologen wurden Präsident von Paraguay und Ecuador. In Venezuela wurde in 5 Jahren das Analphabetentum beseitigt, jeder Mensch dort hat heute Zu-gang zu einer kostenlosen Gesundheitsversorgung, ein all lateinamerikanischer Fern-sehsender, der CNN, eine Wirtschaftsorganisation, die der WTO die Stirn bieten, wur-den gegründet usw., Hätte man mir all dieses vor 5 Jahren gesagt, ich hätte es nicht geglaubt. Dort sind wirklich Prozesse in Gang gekommen, die die Lage der Ausgebeu-teten und Beleidigten nachhaltig verändern.
Die andere Hoffnung heute ist die Bewegung gegen die Globalisierung, das weltweit agierende „Volk von Seattle“. Was ist dieses Volk von Seattle? Dezember 1999: In Se-attle trafen sich die VertreterInnen der Welthandelsorganisation zu ihrer Jahreskonfe-renz.
Zur gleichen Zeit machten alte und junge Leute gegen dieses Treffen mobil, traf sich „das Volk von Seattle“. UmweltschützerInnen, Bauern und BäuerInnen aus allen Teilen der Erde, Menschen aus der Frauen- und Friedensbewegung, aber auch der Gewerk-schaftsbewegung der USA, VertreterInnen der UreinwohnerInnen. Vier Tage lang gibt es Diskussionen, Veranstaltungen, Demonstrationen, Straßenschlachten. Die Veran-stalter des Gipfeltreffens wurden völlig überrascht.
„Bewegung gegen die Globalisierung der Konzerne“ ist das Stichwort, eine Bewe-gung, die sich gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen in den Weltmarktfabriken der Global Players richtet, gegen genmanipulierte Nahrung, gegen manipuliertes Saatgut, gegen das Abholzen der Urwälder, gegen Krieg, gegen das Verschleudern von Ressourcen in die unsinnige Rüstung, gegen die verschärfte Ausbeutung von Frauen. Es ist eine Bewegung, die sich einsetzt für Nahrungssicherheit, für Regionali-sierung der Nahrungsproduktion, für Frieden und Gerechtigkeit.
Das „Volk von Seattle“ wurde geboren: Menschen, die sich weltweit nicht abfinden mit der Neoliberalisierung, nicht mit der modernen Form der Sklaverei. Das Volk von Seat-tle kritisiert den ungebremsten Kapitalfluss, die gnadenlose Ausbeutung von Men-schen und Natur. Wohnen. Die WTO konnte in Seattle ihre geplanten Programme nicht durchsetzen. Seit dieser Zeit gab es mehrere Weltsozialforen, Sozialforen der ver-schiedenen Kontinente, Länder und vieler Städte und Gemeinden.
Die Bewegung wächst täglich. Bauern und Bäuerinnen, Textilarbeiterinnen aus den Maquiladores, die Zapatistas in Mexiko, die Grün Gürtel Bewegung in Afrika, die sich die Wiederaufforstung der afrikanischen Wälder zum Ziel gesetzt hat, Gewerkschafte-rInnen aus den Industrieländern, kritische AktionärInnen der großen Konzerne, Men-schen, die sich den unsinnigen Projekten der Weltbank entgegenstellen, AktivistInnen gegen die Privatisierung der Daseinsfürsorge wie Zugang zu Wasser, Bildung, Ge-sundheit, Transportmöglichkeiten. UreinwohnerInnen der verschiedenen Kontinente beginnen, miteinander zu sprechen und ihre Erfahrungen auszutauschen.
Brillante DenkerInnen
liefern Analyse und Theorien: Noam Chomsky, Arundhati Roy, Jean Ziegler,
Michel Chossudowsky, Maria Mies, Vandana Shiva, Helena Norberg Hodge, Naomi
Klein, Uri Avnery, Eduardo Galeano und viele, viele andere.
Hören wir auf
sie.
Ich gehöre zu den 68ern. In diesem Jahr 40 nach 68 ist viel Unfug über ‚68 geredet worden. Für mich sind die Ziele von 68 nach wie vor aktuell:
„Wir sind nicht hoffnungslose Idioten der Geschichte, die unfähig sind, ihr eigenes Schicksal in die Hand zu nehmen. Das haben sie uns jahrhundertlang eingeredet…. Wir können eine Welt gestalten, wie die Welt sie noch nie gesehen hat, eine Welt, die sich auszeichnet, keinen Krieg mehr zu kennen, keinen Hunger mehr zu haben, und zwar in der ganzen Welt. Das ist unsere geschichtliche Möglichkeit. … Ich bin kein Be-rufspolitiker, aber wir sind Menschen, die nicht wollen, daß diese Welt diesen Weg geht, darum werden wir kämpfen und haben wir angefangen, zu kämpfen.“ Rudi Dutschke
68 war neben vielen Auseinandersetzungen Hoffnung, Freude und auch lustvoller Spott. Wenn ich mir Treffen der Linken, Gewerkschaften, Friedensbewegung heute anschaue, so sehe ich, daß davon viel verloren gegangen ist.
Achtundsechzig, das
ist das lustvolle Zähnefletschen
des Gespenstes der
Freiheit, der nachhaltige Schrecken
für jede Art
von Autoritäten und Bürokraten.
Lasst uns ein Stück davon zurückholen.
Der niederländische Chronist Cees Nooteboom schrieb über den Mai 68 in Paris:
„Der erste Eindruck
war, als ob sich plötzlich ein riesiger Deckel hob, als ob plötzlich
bisher zurückgehaltene Gedanken und Träume in das Reich des Wirklichen
und Mögli-chen übertragen wurden. Indem sie ihre Umgebung verändern,
verändern sich die Leute auch selbst. Leute, die es niemals gewagt
haben, etwas zu sagen, bekamen plötzlich das Gefühl, daß
ihre Gedanken das Wichtigste auf der Welt seien - und rede-ten auch so.
Die Schüchternen wurden mitteilsam. Die Hoffnungslosen und Vereinsam-ten
entdeckten plötzlich, daß gemeinsame Macht in ihren Händen
lag. Die traditionell Apathischen erfuhren plötzlich, wie stark sie
an der Sache beteiligt waren. Eine unge-heure Woge von Gemeinschaft und
Zusammenhalt ergriff diejenigen, die sich selbst zuvor nur als vereinzelte
und machtlose Marionetten angesehen hatten, die von Institu-tionen beherrscht
wurden, die sie weder kontrollieren noch verstehen konnten. Die Leute machten
sich jetzt ganz einfach daran, ohne jede Spur von Befangenheit mitein-ander
zu reden. Dieser Zustand der Euphorie dauerte die ganzen vierzehn Tage
an, in denen ich dort weilte. Eine Inschrift, die auf eine Mauer gemalt
worden war, bringt das wohl am besten zum Ausdruck:
„Schon zehn Tage Glück“.
In diesem Sinne