Antikriegstag
1. September 2015
Silke Ortwein
DGB Kreisvorsitzende
Stadt - und Landkreis Heilbronn

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

„Etwas Besseres als den Tod find‘st Du überall“-
Dieser alte Satz aus dem Grimm‘schen Märchen der Bremer Stadtmusikanten ist
mir in den letzten Tagen immer wieder durch den Kopf gegangen. Ein Satz den
vielleicht viele der Menschen, die aktuell ihre Heimat verlassen und sich auf den
Weg in eine unbestimmte Zukunft machen, denken oder gar aussprechen.
Als ich letzte Woche die Nachrichten über die 71 erstickten Menschen im LKW
hörte, hat mich die Frage nicht losgelassen, wie wohl diese Männer, Frauen und
Kinder die letzten Stunden / Minuten ihres Lebens erlebt und durchlitten haben….
Diese Gedanken sind so grausam, dass ich sie kaum zu Ende denken kann und will
- und diese 71 Menschen stehen hier nur stellvertretend für das tausendfache Leid
von Flüchtlingen dieser Tage… „Etwas Besseres als den Tod find‘st Du überall?“
Ich darf Sie / ich darf Euch alle mit diesen persönlichen Gedanken hier in Heilbronn
zur Gedenkstunde anlässlich des heutigen Antikriegstages im Namen der
Friedensbewegung Heilbronn und des DGB Stadt- Kreisverbandes Heilbronn
begrüßen.

Der Antikriegstag ist ein Tag des Erinnerns und des Mahnens. Denn aus der
Erinnerung, in der Rückschau werden die Schrecken greifbar – Angesichts der
europaweit 60 Millionen Toten des Vernichtungskrieges, der am 1. Sep. 1939 mit
dem Überfall Nazi Deutschlands auf Polen begann, wird klar: Frieden kann nicht
herbeigebombt werden!
Die große Anzahl der Flüchtlinge, die aus Not und Elend, aus Krieg und Chaos
fliehen, stellt die Menschen, die Kommunen, das Land, den Bund, ja ganz Europa
vor immer größere Herausforderungen… Herausforderungen, die wir selbst mit zu
verantworten haben! Denn hier rächt sich die Politik der vergangenen Jahre, die
nicht eine Politik des Friedens und der Versöhnung, sondern vielmehr der
Interessen einzelner Länder war….
Und so werden die politischen Gemengelagen immer komplexer und immer
weniger durchschaubar: Dabei ist es eigentlich doch ganz einfach: Wollen denn
nicht alle Menschen in Frieden und Freiheit leben? - .. Alle, bis auf die wenigen,
die daran verdienen, die davon profitieren, dass Kriege geführt werden!
Viele haben schon versucht in Worte zu fassen, was Frieden ist…
Friede ist zunächst einmal die unabdingbare Grundlage für ein Leben ohne Angst -
und es mag banal klingen: Friede wird es nicht, indem wir Krieg führen!
Das Ziel jeglicher Friedenspolitik, die Aussicht auf Erfolg haben möchte, muss es
sein, die sozialen, ökonomischen und politischen Ursachen von Kriegen zu
beseitigen.

Doch das tödliche und schmutzige Geschäft des Krieges floriert… und, das ist die
bittere Wahrheit, wir – unsere Gesellschaft, unsere Firmen verdienen auch noch
daran - und während einzelne Menschen, Firmen und Länder an diesen von
Menschen gemachten Konflikten verdienen, während Soldaten ihr Leben riskieren,
wachsen Armut und Not!
Noch immer gibt es keinen Konsens zur Frage der Aufnahme von Flüchtlingen im
reichen Europa!
Diese Welt – mit all ihrem Fortschritt - reich wie nie - ist gleichzeitig eine Welt von
Hunger, Not und Elend!... Und die Menschen, welche auf der Flucht sind – werden
weiter hier bei uns Schutz und Hilfe suchen.
Die Flüchtlinge brauchen eine menschenwürdige Aufnahme und Perspektiven auf
soziale und wirtschaftliche Integration in Europa. Es ist beschämend, dass Europa
darüber feilscht, welche Mitgliedstaaten wie viele Flüchtlinge aufnehmen.
Nationalismus, Rassismus und Ausgrenzung dürfen in Europa keinen Platz haben!
Europa darf seine eigenen Werte nicht verraten.
Ohne Rückbesinnung auf diese Werte und die Stärken des solidarischen Europas
droht der soziale Friede in Europa zu zerbröckeln. Europa muss endlich
entschlossenen gegen Armut und für die Schaffung sozialer Sicherheit,
Teilhabegerechtigkeit und Chancengleichheit eintreten… Die Schaffung eines
gemeinsamen Währungs- und Wirtschaftsraumes kann nur ein Anfang gewesen
sein. Nun geht es um die Frage von gemeinsamen sozialen Standards. Die
bisherigen Versäumnisse an dieser Stelle werden nun sowohl in der
Griechenlandfrage als auch bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen
offensichtlich.
Die Würde des Menschen ist unantastbar! – Dieser Satz muss in ganz Europa
gelebte Realität werden.
Wir dürfen Ausgrenzungen und Diffamierungen nicht zulassen: Rechtsextremismus
und Rassismus darf in Europa –bei uns – in unserer Gesellschaft kein Raum
gegeben werden. Ja, es stimmt: die Flüchtlinge stellen unsere Gesellschaft vor
große Aufgaben! Aber ich sags mal provokativ: Diese schwierigen Aufgaben
werden mit Sicherheit nicht gelöst indem man Unterkünfte anzündet und
Menschen ausgrenzt! Bei der Lösung dieser Aufgabe sind wir alle gefragt uns
einzusetzen… und wahrscheinlich mehr, als wir es uns heute vorstellen können.
Und weil Frieden auch immer derer bedarf, die ihn leben bin ich froh, dass heute
wieder so viele hier her gekommen sind um ein Zeichen zu setzen:
Wir alle stehen in der Verantwortung, den Schwur von Buchenwald Realität
werden zu lassen: Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!
Vielen Dank!

Klaus Zwickel, ehemaliger Vorsitzender der IG Metall wird im Anschluss an das
Musikstück die Gedenkrede halten!
Doch zunächst hören wir Holger Weinhardt mit seinem Saxophon begleitet von
Matthias an der Gitarre.
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Wir gehen jetzt in die Ehrenhalle, wo wir nach dem Musikstück einen Kranz im
Gedenken an die Opfer von Verfolgung, Krieg und Gewalt niederlegen werden.
Wir wollen nun gemeinsam schweigend der Opfer von Krieg und Gewalt und des
Naziterrors zu gedenken.
Ich danke Ihnen!
Nun singen wir gemeinsam das Moorsoldatenlied und danach gehen wir
gedenkend in der Stille auseinander..

(es gilt das gesprochene Wort)