Rede Klaus Zwickel Antikriegstag 01.09.2015
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
Der Jahrestag des Überfalls
der deutschen Wehrmacht auf Polen und damit der Beginn des zweiten Weltkrieges,
wird in Deutschland seit 1957 als Antikriegstag begangen. Die Silke hat‘s
schon gesagt: Nie wieder Krieg – Nie wieder Faschis-mus! Bis in die 80
Jahre hinein, haben diese beiden, im wahrsten Sinn des Wortes lebenswichtige
Forderungen, viele Menschen bei Kundgebungen bei Demonstrationen zusammengeführt
um Politik und Gesellschaft zu mahnen: Nichts ist wichtiger als Frieden.
Seit Jahren sind es vergleichbar weniger geworden, die noch demonstrieren.
Frieden scheint bei uns selbstverständlich zu sein. Kriege finden
im Fernsehen statt – scheinbar weit weg. 30 Sekunden Afghanistan oder Syrien.
Ab und zu 15 min. ZDF-Spezial, das reicht! Schalt um, es kommt ein Krimi!
Warum wollen wir uns die Laune verderben lassen, wenn irgendwo Krieg geführt
wird. Sollen die sich doch mit ihrem Problem beschäftigen.
Und plötzlich stehen die Opfer
von Kriegen vor unserer Haustür: Frauen, Männer, Kinder, Babys…
- Und was fällt einigen Konservativen in unserem Lande als erstes
ein? – Leistungen kürzen!
Hundertausende, Millionen auf der
Flucht. Aus Syrien, aus Iran, Sudan, Somalia Afghanistan und anderen Ländern.
Ich muss manchmal auf den Globus schauen, damit ich weiß, wo diese
einzelnen Länder eigentlich genau liegen. Einzige Hoffnung dieser
Flüchtlinge: Leben in Frieden! Wochen- und monatelang sind diese Menschen
Gangstern, Verbrechern ausgeliefert, immer in der Hoffnung, in Europa anzukommen.
Und was macht Europa? Am liebsten Nichts! Am liebsten das ganze Problem
ignorieren.
Im Oktober 2014 wird im Mittelmeer
die Seenotrettungsoperation „Mare Nostrum“ eingestellt. Begründung
der EU: „Zu teuer!“
Da sag ich zynisch: Wir brauchen
die Milliarden um den Euro zu retten. Die Flüchtlinge müssen
eben zuerst schwimmen lernen, ehe sie sich auf das Mittelmeer trauen und
nach Europa wollen.
2. Begründung: den Schleppern
nicht in die Hände arbeiten. Je mehr gerettet werden, je mehr Flüchtlinge
bringen diese Verbrecher in die Boote. So die Begründung …
Und wenn sie schon ankommen, dann
sollen sich die Italiener darum kümmern! Nach Schätzungen mussten
erst etwa 1000 Flüchtlinge an einem Tag ertrinken, ehe die fürstlich
lebenden Eurobürokraten und die politisch Verantwortlichen
reagierten.
Motto: Ersaufen lassen können
wir sie nicht. Holen wir sie an Land, das reicht aber! Vermutlich muss
erst der Leichengestank in den noblen Konferenzräumen der Politiker
zu riechen sein, wie vergangene Woche in Österreich, ehe der nationale
Egoismus überwunden werden kann und alle EU Mitgliedsländer angemessen
Flüchtlinge aufnehmen. Allerdings ich fürchte. Es werden noch
viele sterben bis es soweit ist! Jetzt soll mit einem Zaun die EU-Ost-Grenze
in Ungarn
gegen angreifende Flüchtlinge
gesichert werden – oder sein.
Meine Damen und Herrn – Kolleginnen
und Kollegen.
Man muss sich das einmal vorstellen:
Ein Vollmitglied der EU macht was es will – und was mindestens genauso
schlimm ist – oder noch schlimmer: Die ganze Gemeinschaft schaut zu. Der
Ungarische Staatschef braucht sich nur einmal mit
Putin treffen und die ganzen EU-länder
„scheißen sich in die Hose“ und kuschen. Ich wäre nicht überrascht,
wenn alsbald Presseleute aufdecken: Der Zaun ist Millionen Fördergeldern
der EU gebaut. Sozusagen als Pilotprojekt. Begründung
unter anderem: Schleppern das Handwerk
legen. Denn wenn sich herumspricht „die sogenannte Balkanroute ist gesperrt“,
dann hielten sich die Schlepper zurück.
Da kann man nur sagen: Was für
ein Schwachsinn - was für eine Dummheit! Was für ein Lügengebäude
da aufgebaut wird, um die eigenen egoistischen Ziele nicht aufgeben zu
müssen. Von jeher gilt: wo es keine legalen Möglichkeiten
gibt, entstehen illegale Strukturen
und Handlungen. Auch Diktatoren und Militärstaaten können das
nicht verhindern – aber den Bürgern wird dieser Schwachsinn erzählt.
Man muss aber auch sagen: Die EU hat die Staaten an der sogenannten Balkanroute
hängen lassen – im wahrsten Sinne des Wortes: Keine Unterstützung,
nichts - einfach ignoriert!
Ich bin so sauer über dieses
Verhalten und sage, wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann würde
ich mir wünschen, dass diese Luxusbürokraten in Brüssel
versetzt werden müssten zumindest für einige Monate in die Auffanglager
um
endlich mal auch für ihr Geld
richtig zu arbeiten. Wir leben aber in Europa und Europa steht für
Werte. Dieser Satz “Europa steht für Werte“ gehört sozusagen
zu jeder Politikerrede. „Werte“ – was für Werte! Wir waren über
Monate Zeuge welche Werte besonders wichtig sind und zählen.
Fast im Wochen-Rhythmus haben Spitzenpolitiker
in Tag und Nachtsitzungen eine Lösung für Griechenland gesucht.
Ergebnis: Mit neuen Schulden werden die alten abgelöst. Was denn sonst!
Alles andere hätte zum Offenbarungseid geführt, dass diese Politik,
die seit Jahren betrieben wird, gescheitert ist.
Für diese Einigung über
Griechenland, bekommt der normale Grieche einen neuen Gürtel, weil
er mit dem alten Gürtel im letzten Loch ist. Aber in Zukunft zum Beispiel,
ist es so, startet man beispielsweise in Frankfurt oder in Stuttgart und
landet in Griechenland, dann landet man dort auf einem deutschen Flughafen!
Diese Flughäfen gehören nämlich alsbald der deutschen Fraport.
Für den Schnäppchenpreis von ca. 1,8 Milliarden Euro. Das ist
ein Geschäft. Wie gesagt, für solche Werte, da lohnen sich Nachtsitzungen.
Jetzt wo es um Flüchtlinge – um Menschen geht, jetzt findet Europa
nicht statt – im wahrsten Sinne des Wortes: Europa findet nicht statt.
Juncker und Schulz – sonst täglich im Fernsehen, zu jedem „Scheiß“,
zum Thema Flüchtlinge kein Wort!
Die meisten EU- Mitgliedsstaaten
weigern sich, überhaupt über die dramatische Lage der Flüchtlinge
überhaupt zu reden, geschweige denn sie aufzunehmen.
Wer gestern die Bundeskanzlerin
im Fernsehen gesehen bei ihrer Pressekonferenz hat, meinte auf eine entsprechende
Frage eines Journalisten, Zitat, das würde schwierig und das würde
lange dauern, aber sie glaube an eine faire Lösung. Na dann: Glauben
wirs auch! - so ungefähr. Mehr spricht allerdings dafür, dass
bis die „ausgemerkelt“ hat, noch hunderte oder Tausende Flüchtlinge
sterben werden. Ich war in den vielen Jahren in meinen verschiedenen Funktionen
ein leidenschaftlicher Europäer. Ich frage aber: Glaubt denn wirklich
jemand ernsthaft, Europa würde auf Dauer funktionieren, wenn es nur
als gigantische Geldverteilungsunion verstanden wird. Wo ist z.B. die Europäische
Kommission, der europäische Rat und wie diese Gremien alle heißen,
bei der naheliegenden Frage: Was tut die EU, was verlangt sie zum Beispiel
von den Regierungen der Balkanstaaten, von wo etwa 40 % der Flüchtlinge
kommen, und als Beitrittsländer zur EU gelten. Wollen sie etwa vorher
ihr Armutsproblem lösen, bevor sie endgültig Mitglied sind? Was
macht die EU in dieser Frage: Sie schweigt –sie schläft!
Wo ist die oder der Regierungschef
oder der Präsident der sagt: Die Mitgliedsstaaten, die nicht angemessen
Flüchtlinge aufnehmen, müssen Kürzungen der EU Fördermittel
akzeptieren. Diese Millionen bekommen die Länder, bei denen die Flüchtlinge
landen bzw. aufgenommen und versorgt werden. Ich weiß das ist leicht
gesagt. Leider ist es aber so, dass sich die EU nicht über politische
Grundwerte oder humanistische Überzeugungen steuern lässt, sondern
dass
sie nur über die Verteilung
von Geld gesteuert wird. Das hat Margret Thatcher, wenn ihr Euch erinnert,
schon 1984, wirkungsvoll demonstriert. Wir zahlen nur, was wir zurückbekommen
und alle anderen Europäer haben gekuscht und den Schwanz eingezogen.
Natürlich würde eine solche Forderung, eine solche Ansage, von
der ich gerade rede, natürlich würde das zu einem Aufschrei führen:
Rechtsbruch! - EU auf der Kippe und und und…: Lass sie schreien! Es sind
die Verweigerer von Menschenrecht und Moral. Wenn es für die meisten
der Flüchtlinge um das pure Leben und Überleben geht, da wäre
die Aussage alle EU Länder müssen angemessen Flüchtlinge
aufnehmen, wirklich mal „alternativlos“ zu bezeichnen. Das wäre die
richtige Antwort. Aber nicht erst in einigen Jahren, sondern jetzt. Dazu
schweigt die „Dame“ in Berlin. Man kann nicht nur kassieren. Europa ist
– oder besser gesagt sollte –vor allem auch eine menschliche, humane, moralische
Gemeinschaft sein!
Was denn sonst, frage ich, was denn
sonst, wenn man von gemeinsamen Werten spricht, das kann doch nicht nur
der Euro sein. Natürlich gilt das gesagte auch national!
Als erstes scheint mir angebracht
zu sagen, bei allen Problemen was die Aufnahme, die Unterbringung, die
Versorgung der vielen Menschen betrifft. Deutschland, Schweden, Österreich
haben mit ihrer Aufnahmebereitschaft Europa vor einer humanitären
Katastrophe bewahrt.
Zweitens: Trotz Sorge, trotz Ängsten
über so viel Unbekanntes der absolut größte Teil der Bevölkerung
geht offen, geht tolerant, mit großer Hilfsbereitschaft mit den Flüchtlingen
um.
Drittens: Was die Länder und
besonders die Kommunen leisten, da kann man nur sagen, das ist großartig,
das ist einmalig großartig, was hier geleistet wird!
Viertens: Was die Bundesregierung
bis vor kurzem sich in dieser Frage geleistet hat ist, das ist erschreckend
dilettantisch!
Als schon hunderttausende Flüchtlinge
auf dem Weg nach Europa waren, hat der Bundesinnenminister noch von 400
000 geredet. Kleinhalten, kleinreden! Quasi über Nacht musste
er die Zahlen verdoppeln.
Entsprechend unvorbereitet waren
die Planungen und die sonstigen notwendigen Entscheidungen und Vorbereitungen.
Frau Merkels Politikstrategie „Probleme möglichst klein reden“… Wenn
es gut war – oder, wenn es gut wird oder ist, dann war ich es! – Wenn nicht,
dann war ich möglichst nicht dabei! Das ist dieses Mal gründlich
daneben gegangen! Und jetzt – gestern konnte sie beobachten - jetzt versucht
sie sozusagen in letzter Minute die Kurve zu kriegen.
Auch für die Bundesregierung
gilt: Erst als Flüchtlingsunterkünfte gebrannt haben und rechte
Schlägertrupps Dörfer und Städte terrorisiert haben, erst
dann haben sich die Damen und Herren in Bewegung gesetzt – vorher nicht.
Wollen wir wünschen, dass jetzt schnell sowas wie ein Konzept entwickelt
und beschlossen wird.
Wir, verehrte Zuhörerinnen
und Zuhörer, wir alle – wir können ohne Angst vor dem Fremden
und unser Land kann mit den Erfahrungen und kulturellen Verschiedenheiten
nur gewinnen.
Beim Fußball jubeln wir, zumindestens
die Meisten, da jubeln wir, wenn Spieler – egal aus welchem Land dieser
Welt - für Deutsche Clubs Tore schießen.
Ein wenig Begeisterung auch für
die Flüchtlinge, dann wären wir einen großen Schritt weiter!
Antikriegstag und ich rede über
Flüchtlingen. Ja Flüchtlinge sind Opfer – Flüchtlinge sind
Teil der Kriege. Wir hier Deutschland und in Europa, wir leben seit 70
Jahren in Frieden. Der größte Teil der Flüchtlinge, da
bin ich überzeugt, hat bestimmt als erstes nur einen – den sehnlichsten
Wunsch – auch in Frieden zu leben.
Frieden, das ist eben mehr, als
Abwesenheit von Krieg. Frieden ist Verpflichtung, dass sich die Bürgerinnen
und Bürger, die Politik, die staatlichen Einrichtungen ohne Wenn und
Aber gegen eine verbrecherische rechte Minderheit stellen. Sie sind eine
Gefahr für den inneren Frieden im Land!
Es wird höchste Zeit, dass
dieser Kampf mit allen rechtstaatlichen Mitteln geführt wird.
Frieden heißt aber vor allem
auch, wie Menschen miteinander umgehen. Nicht fragen bist Du Christ - bist
du Moslem oder sonst etwas… – sondern: Du bist ein Mensch, wie ich und
Du - Christen sagen: Ein Bruder – eine Schwester.
Die alten Forderungen und Mahnungen:
Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus, nie wieder rechter Terror, sind
2015 so aktuell wie vor 70 Jahren! Wir haben keinen Grund uns auszuruhen
– sondern wir haben allen Grund weiter für Frieden und Toleranz und
gegen Rechts zu kämpfen.
Vielen Dank!
(es gilt das gesprochene Wort)